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Die Gefahr

Die Gefahr

Titel: Die Gefahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vince Flynn
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gedacht hatte, den Mann anzurufen und ihm zu sagen, dass er eine Operation in seinem Gebiet durchführen würde.
    In sehr untypischer Weise sagte Rapp: »Es tut mir leid, dass ich nicht angerufen habe, aber die Sache ist ganz unerwartet gekommen.«
    »So unerwartet, dass Sie nicht mal zum Telefonhörer greifen konnten?«, fragte Urda und kratzte sich den buschigen schwarzen Bart.
    Rapp hatte sich bemüht, dem Mann bescheiden und verständnisvoll gegenüberzutreten, und es hatte nicht funktioniert. Er war hungrig und müde, und er erwartete nicht mehr und nicht weniger, als dass die Leute das taten, was er von ihnen verlangte. Er blickte kurz zurück und sah, wie die Sanitäter zum Hubschrauber liefen, um sich um die Verwundeten zu kümmern. Der schwer verwundete Soldat war schon vor über einer Stunde evakuiert worden und wurde bereits operiert. Der Chirurg meinte, dass er durchkommen würde, aber in der Delta Force würde der junge Mann wohl nie wieder tätig sein können. Es gab noch neun andere, die versorgt werden mussten, wenngleich ihre Verletzungen zum Glück nicht lebensbedrohend waren. Rapp hatte nun vor, das allgemeine Durcheinander nach ihrer Rückkehr von dem Einsatz zu nutzen, um die Gefangenen still und heimlich auf die beiden Lastwagen zu laden, die Urda mitgebracht hatte. Allein deshalb konnte er es sich nicht leisten, wertvolle Zeit damit zu verschwenden, mit diesem fähigen Mann zu diskutieren, der vielleicht einen Napoleon-Komplex hatte.
    »Jamal«, begann er erneut, »ich habe fünf Gefangene in dem Chinook da drüben.« Rapp zeigte auf einen der großen Zwillingsrotor-Hubschrauber. Sechs abgekämpfte Delta-Männer standen an der Heckrampe des Vogels Wache. »Einer der Männer ist Ali Saed al-Houri.«
    Rapp sah, wie sich Urdas Gesichtsausdruck schlagartig änderte, als er den Namen dieses führenden Al-Kaida-Offiziers hörte. »Ich bin dreizehntausend Kilometer geflogen und habe an einem Tag das erreicht, was Sie fast zwei Jahre lang versucht haben. Halten Sie mir also bitte keine blödsinnigen Vorträge über gutes Benehmen. Ich kenne Sie nicht, und es ist mir scheißegal, ob wir uns näher kennenlernen oder nicht. Alles, was mich interessiert, ist, ob Sie in Ihrem Job gut sind oder nicht und ob Sie das leisten können, was ich von Ihnen erwarte. Und wenn Sie Probleme damit haben, Befehle von mir entgegenzunehmen, dann sagen Sie es lieber gleich; dann sorge ich nämlich dafür, dass Sie Ihren Arsch in die nächste Maschine in die Staaten schwingen werden. Ich bin sicher, ich kann die Direktorin überreden, dass sie irgendwo einen netten Schreibtischjob für Sie findet.«
    Rapp hielt inne, damit Urda sich kurz vorstellen konnte, wie peinlich es wäre, zurück in die Staaten geschickt zu werden und fortan an einem Schreibtisch sitzen zu müssen. Dann beschloss er, dem Mann wieder einen Schritt entgegenzukommen. »Ich finde es großartig, was Sie schon geleistet haben, und ich würde mich freuen, wenn Sie hier mitarbeiten würden … besonders weil wir nicht viel Zeit haben. Also tun Sie mir bitte einen Gefallen. Nehmen Sie Ihre beiden Laster und fahren Sie damit zu dem Chinook hinüber, damit wir die Gefangenen aufladen und von hier verschwinden können.«
    Urda blickte zum Hubschrauber hinüber und wandte sich dann wieder Rapp zu. »Ich habe schon gehört, dass Sie ein richtiges Arschloch sein können.«
    »Ich habe dasselbe über Sie gehört«, sagte Rapp lächelnd. »Also los, packen wir’s an.«

18
    Wenn man die CIA-Station in einer Stadt finden wollte, konnte man ungefähr so vorgehen, wie wenn man einen mittelalterlichen Dom suchte; man hielt einfach nach dem höchsten Punkt Ausschau, und dann hatte man höchstwahrscheinlich das, was man suchte. Kandahar war da keine Ausnahme – außer dass man hier keinen Dom und keine Kirche fand, sondern nur Moscheen. Die Agency hatte sich in einer Villa niedergelassen, von der man die gesamte Stadt überblicken konnte. Das Haus war von einer reichen afghanischen Familie gebaut worden, die, wie alle wohlhabenden Familien, hatte fliehen müssen, als die Sowjets ins Land einmarschierten. In den achtziger Jahren war das Anwesen von den Sowjets besetzt gewesen, in den Neunzigerjahren von den Taliban, und jetzt waren die Amerikaner an der Reihe.
    Die erst vor kurzem asphaltierte Straße zur Station wand sich den Hügel hinauf zu einem Checkpoint, der von U.S. Marines besetzt war. Die Geländewagen fuhren hier jedoch nicht von der Straße ab. Rapp hatte Urda

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