Die Gefahr
und das hieß, dass er sich über ein paar Regeln hinwegsetzen musste. Er traf alle nötigen Vorkehrungen, bevor sie am Luftstützpunkt Kandahar landeten. In der Armee gab es einfach zu viele Regeln, zu viele Leute, die alles streng nach Vorschrift machten. Was Rapp nun zu tun hatte, konnte sich einfach nicht im engen Rahmen der Vorschriften bewegen – und deshalb durfte es darüber keine Aufzeichnungen geben.
Rapp hatte General Harley die Situation erläutert, und der alte Krieger hatte sich daraufhin an die übrigen Offiziere im Befehls- und Führungshubschrauber gewandt. »Ihr wisst, was zu tun ist«, sagte er nur, und alle nickten. Die Aufzeichnungen über diese Mission mussten gelöscht oder zumindest zurechtgestutzt werden. Die Delta-Jungs würden den Mund halten, ohne dass man es ihnen extra sagen musste, und die Ranger würden gewiss keine Fragen stellen. Blieben noch die unzähligen Mitarbeiter am Luftstützpunkt, unter denen sich irgendwelche Gerüchte und Klatsch sehr schnell verbreiteten. Allein die Anwesenheit eines Mannes wie Mitch Rapp würde schon einiges Aufsehen erregen, deshalb galt es, sehr vorsichtig zu sein.
Die fünf Männer, die gefesselt und geknebelt in einem der Chinook-Hubschrauber lagen, existierten nicht mehr – zumindest nicht für die amerikanischen Streitkräfte. Rapp wusste jedoch, dass sie – vorläufig – noch sehr lebendig waren und dass es an ihm war, zu entscheiden, ob sie auch am Leben blieben. Angesichts des Plans, den er umzusetzen gedachte, war es fast sicher, dass zumindest einer von ihnen sterben würde.
Die Sonne war kaum aufgegangen, als der Black Hawk, der als Befehls- und Führungseinrichtung diente, am Luftstützpunkt Kandahar landete. Rapp sah den Mann, den er suchte, bei einem Toyota-4Runner-Geländewagen stehen. Sobald die Tür des Black Hawk offen war, sprang Rapp hinaus und lief zu dem Wagen hinüber.
Jamal Urda war ein ehemaliger U.S. Marine, der seit acht Jahren für die CIA arbeitete. Der Sohn iranischer Einwanderer war Moslem und verfügte über außergewöhnliche Sprachkenntnisse und ein intuitives Verständnis der persischen und der arabischen Kultur. Urda war einer der Ersten gewesen, die nach dem Anschlag vom 11. September in das von den Taliban kontrollierte Land gekommen waren. Er war mit einer Gruppe schwer bewaffneter ehemaliger Special-Forces-Leute und genügend Dollars in der Tasche von Norden in das Land eingedrungen. In den folgenden Monaten handelte er ebenso wie einige andere Männer Abkommen mit den mächtigen afghanischen Kriegsherren aus. Die Warlords wurden vor eine simple Entscheidung gestellt; entweder halfen sie mit, die Taliban zu vernichten, wofür sie mit einem Koffer voller amerikanischer Dollars belohnt würden, oder sie weigerten sich und mussten damit rechnen, dass ihr Haus von einer lasergelenkten 1000-Kilo-Bombe getroffen wurde.
Urda war in seinen Verhandlungen sehr erfolgreich gewesen, weshalb ihn die CIA zu Rapps Kontaktmann in Kandahar bestimmte. Rapp war ihm bereits früher mehrmals begegnet. Es hieß von Urda, dass es nicht immer leicht war, mit ihm klarzukommen, und dass er es nicht leiden konnte, wenn ihm Leute aus dem Hauptquartier bei der Arbeit über die Schulter guckten. Rapp hoffte, dass Irene Kennedy vorher mit ihm gesprochen hatte; er hatte keine Zeit, lange mit dem Mann zu diskutieren.
Als Rapp auf ihn zuging, stand Urda breitbeinig da, die Hände in die Hüften gestemmt. Er war stämmig gebaut und mehr als zehn Zentimeter kleiner als der eins dreiundachtzig große Rapp. An seinem Gesichtsausdruck konnte man erkennen, dass er nicht besonders gut gelaunt war.
Rapp verzichtete darauf, ihm die Hand zu reichen. »Danke, Jamal, dass Sie so kurzfristig hergekommen sind.«
»Lassen Sie den Quatsch, Rapp. Ich habe gestern gehört, dass Sie auch im Land sind. Sie hätten sich ruhig vorher melden können.« Urda verschränkte die Arme vor der Brust, sodass unter den Oberarmen die Griffe seiner beiden . 45-er-Pistolen sichtbar wurden. »Das ist ja wohl das Mindeste, was man unter Kollegen erwarten kann, oder?«
Rapp unterdrückte den Drang, Urda zu sagen, was er ihn könne, und er versuchte, die Sache aus dem Blickwinkel des Iraners zu sehen. Er brauchte Urda und seine Landsleute, und es war besser, sie als bereitwillige Mitarbeiter zu gewinnen, als ihnen mit dem Verlust ihrer Jobs drohen zu müssen. Rapp war es so sehr gewohnt, derartige Operationen auf eigene Faust durchzuführen, dass er gar nicht daran
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