Die Gefahr
seinen Plan mitgeteilt, und sein Kollege von der CIA hatte sich dafür ausgesprochen, dass sie sich von amerikanischen Einrichtungen jeder Art fernhielten. Urda kannte ein kleines Haus an derselben Straße, das sie für ihre Zwecke benutzen konnten. Rapp verzichtete darauf, ihn zu fragen, woher er von dem Haus wisse und ob er es selbst schon benutzt habe. In ihrem Metier war es besser, sich solche Fragen zu schenken, weil man meistens besser dran war, wenn man die Antworten nicht kannte. Die Haltung der CIA gegenüber der Folter war ungefähr so wie die Einstellung der Streitkräfte zur Homosexualität: Man zog es vor, sich mit dem Thema nicht zu befassen.
Rapp hatte gegen diese Politik der Verschwiegenheit absolut nichts einzuwenden; schließlich war schon die Art und Weise, wie die CIA ihn rekrutiert hatte, recht ungewöhnlich gewesen. Dass er zur Agency kam, gehörte zum Plan des damaligen Direktors der Operationsabteilung Thomas Stansfield. Stansfield hatte bereits dem Vorläufer der CIA, dem Office of Strategic Services, kurz OSS, angehört. Er hatte sich im Zweiten Weltkrieg hervorgetan, wo er in Norwegen und in Frankreich hinter den feindlichen Linien operiert hatte. Als nach dem Krieg die CIA ins Leben gerufen wurde, war Stansfield einer der Mitarbeiter der ersten Stunde gewesen.
Stansfield arbeitete in der Zeit des Kalten Krieges in Europa und erlebte in den siebziger und achtziger Jahren mit, wie seine Agency im Zuge des Watergate-Skandals und später der Iran-Contra-Affäre nach und nach an Bedeutung und Einfluss verlor. Als Reaktion darauf gründete er in den späten achtziger Jahren eine geheime Organisation, das sogenannte Orion-Team. Die Aufgabe dieser geheimen Truppe war es, den Kampf gegen den Terrorismus zu intensivieren. Stansfield erkannte wahrscheinlich besser als jeder andere in Washington, dass es ein aussichtsloses Unterfangen war, religiöse Fanatiker mit zivilisierten Mitteln zu bekämpfen. Und sie zu ignorieren war eben auch keine Lösung.
Thomas Stansfield und Irene Kennedy hatten den damals zweiundzwanzigjährigen Rapp rekrutiert. Rapp hatte Wirtschaftswissenschaften studiert und sprach fließend Französisch. In seiner Studienzeit waren fünfunddreißig seiner Kommilitonen bei dem Terroranschlag auf jene PanAm-Maschine ums Leben gekommen, die über Lockerbie abstürzte. Dieser Anschlag sollte Rapps Leben grundlegend verändern. Seine damalige Freundin, die Frau, die er eines Tages heiraten wollte, war ebenfalls an Bord der Maschine gewesen.
Der Schmerz über diesen Verlust hatte in Rapp den Wunsch nach Rache entstehen lassen, und so wurde er in den darauffolgenden Jahren zum besten und erfolgreichsten Antiterror-Spezialisten der Vereinigten Staaten ausgebildet. All das geschah ohne Wissen der Regierung oder des Parlaments. Es gab wohl einige angesehene Senatoren und Abgeordnete, die von der Existenz des Orion-Teams wussten, doch die genauen Details waren nur Stansfield bekannt. Diese verdienten Politiker wussten bereits ein Jahrzehnt früher als ihre Kollegen, dass ein intensiver Krieg gegen den Terrorismus geführt wurde. Es war ihnen auch bewusst, dass weder ihre Kollegen noch die amerikanische Öffentlichkeit sich zu den erforderlichen Maßnahmen würden durchringen können, um den Terrorismus wirkungsvoll zu bekämpfen.
Wenn man Rapp einen Antiterror-Spezialisten nannte, so war das eine reichlich beschönigende Umschreibung der Wahrheit. Wollte man die Dinge wirklich beim Namen nennen, dann musste man ihn einen Killer nennen. Er tötete sehr oft für sein Land, und der Anschlag vom 11. September war für ihn nur der endgültige Beweis, dass er nicht oft genug getötet hatte. Diese Fanatiker schreckten vor nichts zurück, um ihre fanatische Deutung des Koran durchzusetzen – und wie sich jetzt zeigte, schreckten sie wohl auch nicht davor zurück, eine Atombombe über einer Großstadt abzuwerfen. Rapp freute sich nicht gerade auf die Aufgabe, die ihm bevorstand, doch er würde auch nicht zimperlich sein, wenn es galt, seine Aufgabe zu erfüllen. Es war ziemlich wahrscheinlich, dass die Männer, die in dem Dorf gefasst worden waren, Informationen besaßen, die das Leben von Tausenden, vielleicht sogar von Hunderttausenden retten konnten, und Rapp würde alles tun, um ihnen diese Informationen zu entreißen.
19
Die beiden Fahrzeuge bogen in eine ausgefahrene staubige Straße ein. Wenige Minuten später kamen sie zu einigen ziemlich baufälligen Gebäuden. Rapp war etwas verdutzt,
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