Die gefangene Braut
»Und wie bringt ihr die Pferde dazu, stehenzubleiben?«
»Da wir ohne Sattel reiten, bohren wir ihnen die Fersen in die Flanken. Bist du jetzt zufrieden?«
»Ja. Darf ich noch eine Weile stehenbleiben und zusehen?« fragte sie schwach.
»Wenn du ruhig bist und das Pferd nicht ablenkst«, sagte er. Sie konnte seinen Blick nicht deuten.
Wie gern sie selbst auf einem dieser Pferde gesessen oder gar ein Wildpferd zugeritten hätte! Plötzlich wurde Christina klar, daß sie sich eine Zukunft in diesem Lager ausmalte. Verflucht, warum kam John nicht zu ihrer Rettung? Wahrscheinlich glaubte er, sie sei längst tot. Sie mußte entkommen oder abwarten, bis Philip ihrer über-
drüssig war. Aber wer wußte, ob er sie dann nicht in einen Harem verkaufte?
Wenn sie ihn dazu brachte, sich in sie zu verlieben -vielleicht ließ er sie dann gehen? Aber wie konnte ihr das gelingen, wenn sie ihn haßte? Außerdem hatte er ihr selbst gesagt, daß er nur ihren Körper begehrte.
Christina beobachtete Philip nicht. Sie genoß es nur, endlich im Freien zu sein. Als sie wieder im Zelt waren und beim Essen saßen, teilte Philip ihr mit, daß er das Lager für eine Weile verlassen würde.
»Ich werde Ahmad als Wache vor deinem Zelt zurücklassen, solange ich fort bin. Wenn ich dich bewachen lasse, dann dient das ausschließlich deinem Schutz.«
»Wohin gehst du?«
»Es geht nur um ein ghazw«, sagte er gereizt. Offensichtlich wollte er nicht darüber reden, doch Christinas weibliche Neugierde ließ sie nicht in Ruhe, und sie hakte nach.
»Das kann doch nicht dein Ernst sein!« sagte sie entsetzt, als sie begriffen hatte, daß es sich um einen Raubzug handelte. Philip war ein Gesetzloser, der gnadenlos mordete! Und sie, Christina Wakefield, war in seiner Gewalt!
Sie versuchte, aus Ahmad, der vor ihrem Zelt Wache hielt, herauszukriegen, ob Philip andere Frauen vor ihr in das Lager gebracht hatte, denn vielleicht ließ sich in Erfahrung bringen, was ihr bevorstand. Doch Ahmad versicherte ihr, Philip habe vor ihr keine Frau ins Lager gebracht. Jetzt mußte sie diese Frage mit Philip selbst klären. Sie konnte nur hoffen, daß er besserer Laune war, wenn er zurückkehrte.
12
Sie ritten durch die heiße Mittagssonne, und Philip dachte an Christina. Würde er diese Frau jemals verstehen? Warum weinte sie nach etwas, was ihr Vergnügen bereitet hatte?
Ihr geheucheltes Interesse an den Pferden hatte er gleich erkannt, als sie zum Korall gekommen war, aber mußte er nicht verstehen, daß ihr jedes Mittel recht war, ins Freie zu kommen? Das Entsetzen, das in ihrem Blick gestanden hatte, als er ihr von dem Überfall erzählt hatte! Er war wirklich entschlossen gewesen, ihr diese Seite seines Lebens vorzuenthalten, denn er selbst hielt nichts von diesen Überfällen und wußte, daß er sie in Panik versetzen würde, aber sie hatte ihn mit ihrer Neugier so erbost, daß er sie bewußt schockiert hatte. So viele Fragen war er nicht gewohnt, und am allerwenigsten von einer Frau.
Ah, aber was für eine Frau! Philip genoß ihre Gegenwart in vollen Zügen. Es bereitete ihm Vergnügen, ihre außergewöhnliche Schönheit zu sehen. Seit sie da war, freute er sich darauf, in sein Zelt zurückzukehren – ob er es wollte oder nicht. Bisher war sein Zelt ein einsamer Ort gewesen, den er nach Möglichkeit gemieden hatte.
Die Karawane kam in Sicht. Syed feuerte zwei Schüsse in die Luft ab, um zu sehen, ob sich die Männer wehren oder ob sie kampflos hergeben würden, was die Kamele geladen hatten. Die sechs Wachen warfen ihre Waffen fort. Sie wollten lieber am Leben bleiben, als um das Eigentum eines anderen zu kämpfen und dabei zu sterben.
Sie luden die Lebensmittel, die sie brauchten, und ein paar andere Güter auf eins der Kamele und ließen die Karawane weiterziehen. Bald darauf schlugen sie ihr Nachtlager auf, und am nächsten Nachmittag wurden sie jubelnd im Lager begrüßt.
Philip nahm eine der Truhen und überließ den anderen den Rest. Er hoffte, Christina würde besser aufgelegt sein, doch sie würdigte ihn keines Wortes, als er sein Zelt betrat.
Philip begleitete Christina zum Teich und probierte seinen erbeuteten Rasierapparat aus. Auch nach dem Abendessen war Christina stumm und verdrossen. So konnte es nicht weitergehen. Philip sehnte sich zu sehr danach, sie in sein Bett zu tragen.
»Komm, Tina, laß uns ins Bett gehen«, sagte er versuchsweise, und zu seinem großen Erstaunen folgte sie ihm wortlos. Sie löste ihr Haar und zog
Weitere Kostenlose Bücher