Die gefangene Braut
umarmte sie zärtlich und ließ sie erst wieder los, als sie nicht mehr zitterte. Sie würde niemals in der Lage sein, diesen Mann zu begreifen. Im einen Moment drohte er ihr mit Schlägen, und im nächsten Moment hielt er sie zärtlich und liebevoll im Arm.
Liebevoll? Wie kam sie bloß auf Liebe? Philip liebte sie nicht. Er begehrte sie lediglich. Und Liebe und Verlangen unterschieden sich voneinander wie Tag und Nacht. Es bestand keine Hoffnung für sie, diesen Ort jemals wieder zu verlassen, wenn sich sein Herz nicht für sie erweichte und er sie gehen ließ, wie auch sein Vater seine Mutter frei gelassen hatte.
»Ist es wieder gut, Tina?« erkundigte er sich mit heiserer Stimme.
»Ja«, erwiderte sie mit niedergeschlagenen Lidern.
Jetzt stellte er ihr Saids Brüder und deren große Familien vor. Christina fiel auf, daß alle jungen Frauen Philip mit sehnsüchtigen Augen ansahen. Rashid hatte also recht gehabt. Alle hatten gehofft, ihn für sich zu gewinnen, bis er sie aus England geholt hatte, um mit ihr anzugeben. Sie alle mußten sie hassen – und Nura am allermeisten.
Am Nachmittag hatte Christina ihren ersten Rock fertig genäht. Es störte sie nicht, daß ihre Kleider aus zu feinen Stoffen für das Lagerleben waren, denn sie fühlte sich einfach wohler, wenn sie schöne Kleider trug. Philip lobte sie lediglich für ihre flinken Finger, als sie ihren neuen Rock anzog, doch Rashid, der zum Abendessen kam, konnte seine Blicke nicht von Christina losreißen. Da Philip sich über Rashids Aufmerksamkeiten ärgerte, zog Christina sich früh zurück und überließ die beiden Brüder ihren Erörterungen von Stammesangelegenheiten. Als Philip ins Bett kam, stellte sie sich schlafend, weil sie damit gerech-
net hatte, er würde wieder versuchen, sie zu nehmen. Doch er zog sie nur dich an sich und schlief augenblicklich ein.
11
Die kommenden Tage vergingen gemächlich, und zwischen Christina und Philip wurden die ersten Dinge zur Routine. Er nahm sämtliche Mahlzeiten mit ihr ein, überließ sie jedoch am Morgen und am Nachmittag sich selbst. Jeden Abend vor dem Essen brachte er sie zum Teich, damit sie baden konnte, und nach dem Essen blieb er bei ihr, reinigte seine Waffen, las oder dachte nur einfach nach.
Jede Nacht liebte Philip sie, und allnächtlich wehrte sie sich gegen ihn, bis ihre Leidenschaft ihre Widerstandskräfte besiegte und sie mit sich riß. Christina konnte nicht leugnen, daß sie Vergnügen bei ihm empfand, aber das bewirkte nur einen um so größeren Haß auf ihn.
Philip löste die seltsamsten gemischten Gefühle bei ihr aus. Sie war immer nervös, wenn er in ihrer Nähe war. Nie konnte sie vorhersagen, was er als nächstes tun würde. Er brachte sie dazu, die Kontrolle über sich selbst zu verlieren und brachte sie in rasende Wut, doch dann verwandelte er diese Wut in Angst. Außerdem fürchtete sie sich ohnehin vor ihm, weil sie wirklich glaubte, er würde sie einmal schlagen, wenn sie ihn zu sehr provozierte.
Eine Woche war vergangen, und sie war des Nähens überdrüssig und langweilte sich im Zelt. Philip hatte ihren Willen gebrochen und gnadenlos die Macht gefestigt, die er über sie besaß, und wenn sie auch jede Minute auskostete, so weinte sie doch hinterher über diesen Verrat, den ihr Körper an ihr beging.
Christina legte ihr Nähezeug zur Seite und trat an den Zelteingang. Die Sonnenstrahlen fielen so einladend durch das Laub des Wacholders, daß Christina ihre Angst vor Philips Strafen verlor, die auf sie zukamen, wenn sie das Zelt verließ. Sie schlenderte zu dem Pferch, in dem die Pferde standen, und sog genüßlich die Wärme der Sonne in sich auf.
Als sie Philip sah, blieb sie erstarrt stehen. Ahmad saß auf einem wunderbaren Araberhengst, und Philip stand neben ihm. Mutig trat Christina näher. Als sie die Umzäunung erreichte, scheute das Pferd.
Philip drehte sich um. »Was hast du hier zu suchen?« fragte er zornig.
»Mich interessiert, was du tust, und ich würde dir gern zusehen, wenn du die Pferde zureitest«, sagte sie. »Ich habe es in diesem Zelt einfach nicht mehr ausgehalten. Was bringt ihr den Pferden eigentlich bei?«
»Wir erziehen sie systematisch dazu, auf den Druck der Knie zu reagieren, nicht auf die Hände, weil man die Hände nicht immer frei hat. Man kann unsere Pferde auch nur stehlen, indem man sie fortführt, denn sie dulden keinen Reiter mit Zügeln auf ihren Rücken.«
»Das ist ja fantastisch«, sagte Christina mit wachsendem Interesse.
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