Die gefangene Braut
Weißt du, Rashid besucht mich von Zeit zu Zeit. Er hat erwähnt, du seiest aus England zurückgekehrt und würdest dir eine Ausländerin als Mätresse halten. Es scheint ganz so, als hätte ich Christina Wakefield von ihrem Entführer befreit!« Ali legte eine Pause ein. Als er wieder sprach, war seine Stimme zornerfüllt. »Dazu kommt, daß ich kürzlich von Yasirs Tod erfahren habe. Man hat mich darum betrogen, ihn eigenhändig zu töten, und daher wirst du, sein geliebter Sohn, seinen Platz einnehmen.«
»Was soll mein Vater angeblich getan haben?« fragte Philip.
Ali Hejaz schenkte zwei Gläser Wein ein und bot Philip eins der beiden an. Er lehnte ab, und Ali lächelte. »Es wird dein letztes sein – ich schlage dir vor, es zu trinken. Der Wein ist nicht vergiftet, das versichere ich dir. Ich habe mir einen langsameren, grausameren Tod für dich ersonnen.«
»Fahr fort mit deinen Erklärungen, Hejaz. Ich will Christina sehen«, erwiderte Philip. Er nahm den Wein und prostete dem alten Mann spöttisch zu.
»Ich sehe, daß du mich noch nicht ernst nimmst. Ah, aber das wirst du tun, wenn dein langwieriger Tod beginnt. Wie dem auch sei – du verdienst jedenfalls, zu erfahren, warum du sterben wirst.« Ali unterbrach sich und trank aus dem Glas, das er in der Hand hielt.
»Vor langer, langer Zeit waren dein Vater und ich eng miteinander befreundet. Ich hätte alles für Yasir getan. Ich kannte auch deine Mutter, und ich war mit Yasir zusammen, als du geboren wurdest. Damals habe ich mich für deinen Vater gefreut. Er hatte zwei prachtvolle Söhne und eine Frau, die er mehr als sein Leben liebte. Ich erinnere mich noch, dich auf meinem Schoß gehabt zu haben, als du erst drei Jahre alt warst, und ich habe dir Geschichten erzählt. Kannst du dich daran noch erinnern?«
»Nein.«
»Damit habe ich auch nicht gerechnet. Es waren glückliche Tage – bis deine Mutter gegangen ist. Sie war eine gute Frau, aber sie hat Yasir vernichtet. Er wurde nie mehr der alte. Als seine Frau und seine beiden Söhne ihn verlassen hatten, hatte Yasir das Gefühl, es gäbe nichts mehr in seinem Leben, wofür es sich zu leben lohnte. Drei Jahre lang habe ich mit ihm gelitten, denn ich habe Yasir geliebt wie einen Bruder. Ich hoffte, er würde deine Mutter vergessen und ein neues Glück finden. Ich hatte eine Schwester, die Margiana hieß, ein wunderschönes Mädchen, das Yasir anbetete. Daher bot ich Yasir Margianas Hand an.«
»Aber meine Mutter und mein Vater waren doch noch verheiratet. Wie hätte er deine Schwester heiraten können?« unterbrach ihn Philip.
»Deine Mutter war fort und würde nicht zurückkommen. Es war genauso, als sei sie tot. Yasir stand es frei, sich wieder zu verheiraten. Er konnte ein neues Leben beginnen und Söhne zeugen, und er hätte zusehen können, wie sie zu Männern heranwachsen. Yasir willigte ein, meine Schwester zu heiraten. Damals mußte ich gerade fortgehen, und ich bat Margiana, nicht vor meiner Rückkehr zu heiraten. Aber sie weigerte sich, bis dahin zu warten.
Ich wurde verwundet, während ich fort war, und Monate lang war ich ans Bett gebunden. Ich brauchte fast zwei Jahre, um meine Schwester und Yasirs Stamm zu finden. Rashid, der Sohn meiner Schwester, war damals ein Jahr alt.
Und so vergingen die Jahre, und ich glaubte, mit meiner Schwester stünde alles zum Besten. Yasir war immer noch unglücklich. Er liebte Rashid nicht so, wie er dich geliebt hatte. Aber meine Schwester tat so, als sei sie glücklich, wenn ich sie besuchte.
Vor einigen Jahren kam meine Schwester dann zu mir und erzählte mir endlich die Wahrheit über ihre sogenannte Ehe. Yasir hatte sich im allerletzten Moment geweigert, sie zu heiraten. Aber in der Nacht, in der sie hätten heiraten sollen, betrank er sich und vergewaltigte sie. Als sie Monate später feststellte, daß sie ein Kind bekam, bat sie Yasir, sie zu heiraten. Doch er weigerte sich weiterhin. Er konnte deine Mutter nicht vergessen. Margiana schämte sich, weil sie nicht verheiratet war, und daher log sie mich an und ließ mich in dem Glauben sie sei glücklich. Yasir hat sie nie mehr genommen, aber er hat sie und Rashid bei seinem Stamm leben lassen. Sie hat ihn geliebt, und er hat sie wie ein Stück Dreck behandelt.
Nachdem meine Schwester mir die Wahrheit erzählt hatte, brachte sie sich um. Es war, als hätte Yasir ein Messer in ihre Brust gestoßen. Er hat meine Schwester getötet, und an jenem Tag habe ich Rache geschworen. Ich wartete, aber
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