Die gefangene Braut
achtlos auf den kleinen Nachttisch. Gemeinsam zogen sie Christina den Kaftan und die Schuhe aus. Einmal schlug Christina die Augen auf, doch sie schloß sie sofort wieder und schlief weiter.
Mrs. Greene und John verließen den Raum, und leise schloß er die Tür hinter ihnen. Er begab sich direkt zu der Bar im Salon, goß sich ein Glas Whiskey ein, ließ sich auf seinen Lieblingssessel sinken und trank den Whiskey pur.
»Was soll ich damit anfangen, Sir – es wegwerfen?« fragte Mrs. Greene, und sie hielt Christinas schmutzigen Kaftan hoch.
John sah zu der Matrone auf, die in der Tür stand. »Legen Sie ihn einfach zur Seite. Christina soll entscheiden, was damit geschieht.«
John wollte Christina sobald wie möglich wieder nach England bringen. Ägypten hatte ihnen beiden nur Leid gebracht, aber jetzt, da Christina wieder bei ihm war, würden sie wieder glücklich sein.
Warum, fragte er sich, hatte Christina den Mann verlassen, den sie zu lieben behauptete? Sie hatte geschrieben, sie würde bei ihm bleiben, bis er sie nicht mehr haben wollte. War es das? Dieser Schurke hatte sie entführt, sich an ihr gütlich getan und sie dann abgelegt, um die Belohnung einzukassieren. Crissy hatte gesagt, daß sie ihn liebte. Wie sehr sie leiden mußte!
John trank den letzten Rest Whiskey aus, stand auf und ging durch das kleine Eßzimmer in die ebenso kleine Küche. Dort fand er Mrs. Greene, die am Herd stand.
»Ich werde etwa eine Stunde aus dem Haus gehen, Mrs. Greene«, sagte er. »Es ist unwahrscheinlich, daß meine Schwester in der Zwischenzeit erwacht. Falls doch, dann sagen Sie ihr, daß ich eine Verabredung absagen mußte und gleich wieder da bin. Und geben Sie ihr alles, wonach sie fragt.«
»Was ist mit Ihrem Mittagessen?«
»Ich esse, wenn ich zurückkomme«, sagte John, der sich einen Apfel aus der Obstschale auf dem Küchentisch nahm. »Es dauert nicht lange.«
Es war kein weiter Weg zu Major Hendricks' Unterkunft, und John hoffte, Kareen dort vorzufinden, denn er wollte die Verabredung, die er mit ihr für den Abend getroffen hatte, persönlich absagen.
Kareen war ein Jahr jünger als er und hier zu Besuch bei ihrem Onkel Hendricks. Sie war in England zu Hause, aber ihre Mutter hatte spanisches Blut. Viel mehr wußte er nicht über sie – nur, daß sie ihn in hohem Maße anzog.
Kareen sah mit ihrem seidigen schwarzen Haar und ihren schwarzen Augen wie eine Spanierin aus. Ihr Körper war schlank und doch an den richtigen Stellen wohlgerundet. John hatte sich auf diesen Abend gefreut, doch jetzt mußte er die Verabredung absagen. Kareen würde das verstehen.
John klopfte an die Tür von Major Hendricks' bescheidenem Heim. Wenige Momente später öffnete sich die Tür, und er stand einem jungen Mädchen gegenüber, das ihn fröhlich anlächelte. John war schockiert, denn dieses Mädchen sah aus, als sei es erst sechzehn oder siebzehn, und doch …
»Kareen?«
Das junge Mädchen lachte über Johns Bestürzung.
»Das passiert ständig, Lieutenant. Ich bin Kareens Schwester Estelle. Wollen Sie nicht eintreten?«
»Ich wußte gar nicht, daß sie eine Schwester hat«, sagte John, als er in den Flur trat. »Sie sehen ihr unglaublich ähnlich.«
»Ich weiß – wie Zwillinge. Aber Kareen ist fünf Jahre älter als ich. Mein Vater sagt immer, daß Kareen und ich die exakten Abbilder unserer Mutter in jungen Jahren sind. Unsere Mutter ist immer noch eine schöne Frau, und es ist gut zu wissen, wie wir eines Tages aussehen werden.« Sie lächelte John ganz bezaubernd an. »Entschuldigen Sie, bitte. Alle sagen, ich rede zuviel. Wollten Sie Kareen sehen, Lieutenant … «
»John Wakefield«, stellte er sich mit einer knappen Verbeugung vor. »Ja, ich würde sie gern sprechen, wenn das möglich ist.«
»Ich glaube, das läßt sich machen. Sie ist in ihrem Zimmer und ruht sich aus. Es ist dieses heiße Wetter – wir haben uns noch nicht daran gewöhnt. Es kann einen ganz schlaff machen. Sie sind also John Wakefield«, sagte sie und musterte ihn von Kopf bis Fuß. »Kareen hat eine Menge über Sie erzählt, und ich sehe schon, daß sie nicht übertrieben hat.«
»Sie besitzen eine erstaunliche Offenheit, Miß Estelle.«
»Nun, ich finde, die Leute sollten sagen, was sie denken.«
»Das kann einem manchmal Scherereien eintragen«, sagte John im leichten Plauderton.
»Ja, ich weiß. Aber es macht mir Spaß, andere Leute zu schockieren. Ich könnte allerdings nicht behaupten, daß ich Sie schockiert habe. Sie
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