Die gefangene Braut
stören, wenn ihr zusammen ausgeht.« Christina seufzte und ließ ihre Schultern hängen. »Vielleicht lese ich einfach ein Buch und gehe früh ins Bett.«
»Crissy – ich kann nicht mitansehen, was du dir antust«, sagte John. »Wenn ich nach Hause komme, sind deine Augen meistens so rot wie jetzt. Du hast versucht, es vor mir zu verbergen, aber ich weiß, daß du immer noch um diesen Mann weinst. Er ist deine Tränen nicht wert! Mein Gott, ich würde ihn umbringen, wenn er mir in die Finger käme!«
»Sag das nicht, John«, sagte sie. Sie war völlig außer sich. Sie griff nach seinem Arm, und ihre Finger gruben sich mit ungewohnter Heftigkeit in seine Muskeln. »Sag das nie wieder! Er läßt mich leiden, ja, das stimmt, aber diese Last habe allein ich zu tragen. Du kannst ihm nicht die ganze Schuld geben, denn er hat nie gewußt, daß ich ihn liebe. Er war in dem Glauben, mir das zu geben, was ich immer wollte – meine Freiheit. Schwöre mir, ihm niemals etwas anzutun!«
»So beruhige dich doch, Crissy«, sagte John, den ihr Ausbruch schockiert hatte. »Wahrscheinlich wird mir dieser Mann ohnehin nie über den Weg laufen.«
Christinas Stimme war eindringlich, und Tränen standen in ihren Augen. »Aber eines Tages könntet ihr euch doch begegnen. Du mußt mir dein Wort darauf geben, daß du ihm nichts tun wirst!«
John zögerte, und er sah in das flehentliche Gesicht seiner Schwester. Er würde diesen Abu niemals kennenlernen, und daher schadete es nichts, Crissy sein Wort zu geben, wenn es sie glücklich machte. Dann kam er auf eine Idee.
»Ich gebe dir mein Wort – unter einer Bedingung, daß du aufhörst, dich wegen dieses Mannes zu quälen. Geh raus und lerne neue Leute kennen. Und den Anfang machst du, indem du heute mit mir in die Oper gehst!«
Christinas Gesicht wurde plötzlich ganz ruhig. Sie löste ihren Griff und ließ Johns Arme los.
»Einverstanden, John, wenn es das ist, was mir die Sicherheit gibt, daß du dein Wort halten wirst. Aber ich glaube trotzdem, daß der Abend schöner für dich wäre, wenn ich nicht mitkomme.«
»Überlaß das meinem Urteil.« Er warf einen Blick auf die Uhr, die auf dem Kaminsims stand. »Du hast nur noch eine knappe Stunde Zeit, um dich fertigzumachen.« Er grinste breit, als er ihren Unwillen sah. Das war sehr wenig Zeit, um sich für ihren ersten Ausgang seit sechs Monaten herauszuputzen. »Ich sage Mrs. Greene, daß sie dir ein heißes Bad vorbereitet.«
Eine knappe Stunde später saßen sie wirklich in der Kutsche, holten Kareen ab und fuhren zur Oper. Als sie das Foyer betraten, wandten sich ihnen alle Blicke zu, und flüsternde Bemerkungen wurden ausgetauscht. Die Frauen musterten Christina verächtlich und wandten sich dann ab. Aber die Männer entblößten sie mit lasziven Blicken. Ein paar junge Männer, die John und Kareen offensichtlich kannten, kamen auf sie zu, um sich Christina vorzustellen. Sie überschütteten sie mit artigen Komplimenten, aber ihre Augen streiften unverschämt über ihren Körper, und sie reagierte barsch auf ihre Schmeicheleien.
»Miß Wakefield!«
Christina drehte sich abrupt um und sah William Dawson, der mit einem strahlenden Lächeln auf sie zukam. Er sah noch genauso aus, wie sie ihn in Erinnerung hatte – gebräunt und sportlich. Sie erinnerte sich an seine spannenden Geschichten und wünschte, sie hätte ihn bei einem seiner zahlreichen Besuche empfangen.
»Es ist so lange her«, sagte er, und er führte ihre Hand an seine Lippen. »Und Sie sind so schön wie eh und je. Ich hoffe, Sie haben sich völlig von Ihrer Krankheit erholt?«
»Ja. Man hat mich – äh – überredet, mich wieder in die Welt der Lebenden zu stürzen«, sagte sie. »Es ist schön, Sie wiederzusehen, Mr. Dawson.«
»William«, verbesserte er sie. »Wir sind doch alte Freunde, Christina. Es würde mich verletzen, wenn Sie mich anders ansprechen. Haben Sie einen Begleiter?«
»Ich bin mit John und Kareen gekommen.«
»Schämen Sie sich, John, die beiden schönsten Frauen Kairos ganz für sich zu beanspruchen.«
»Ich vermute, wenn es um die beiden geht, bin ich ein wenig egoistisch«, sagte John lachend.
»Ich wäre der glücklichste Mann in Kairo, wenn Sie mir erlauben würden, während der Vorstellung neben Ihnen sitzen zu dürfen, Christina, und Sie vielleicht anschließend nach Hause zu bringen. Das Einverständnis Ihres Bruders selbstverständlich vorausgesetzt.«
»Nun, ich … « Christina sah John hilfesuchend an, aber er warf
Weitere Kostenlose Bücher