Die Gefangene des Elfen 2: Insel des Vergessens (Elven Warrior Series) (German Edition)
gezackte Narbe, die der Prinz an dieser Stelle trug. Die Heilung musste eine lange Zeit gedauert haben. Igraine hatte angenommen, all die Narben am Körper des Elfen seien ihm im Kampf von seinen Feinden zugefügt worden - nicht von seinesgleichen, und schon gar nicht von seinem eigenen Bruder.
Ruadan blieb nicht einmal genug Zeit, zu bemerken, dass er einen Fehler gemacht hatte. Elathan warf sich auf ihn und stieß ihn mit seinem Gewicht zu Boden, seine tödliche Klinge an die Kehle des jüngeren Elfen gedrückt. "Und was willst du jetzt tun, Feigling?" zischte er ihn an, seine Augen lodernd vor Wut. "Mich vergiften?"
Ruadan starrte ihn hasserfüllt an. "Das wäre zu einfach für dich, Bruder. Dein Tod ist unvermeidlich – er ist nur eine Frage der Zeit. Vater weiß bereits, dass du heimlich eine Armee aufbaust, um den Thron an dich zu reißen. Er denkt nur noch darüber nach, wie er mit einem Sohn umgehen soll, der ein Verräter ist."
Mit einer flinken Bewegung zog Elathan einen Dolch unter seinem Gürtel hervor und schlitzte Ruadans Wange auf. Die Wunde war nicht tief, gerade genug, um ein wenig Blut austreten zu lassen und den jungen Prinzen mit einer Narbe zu verunstalten, die ihn ein Leben lang an diesen Tag erinnern würde.
"Und so gehe ich mit Lügnern um, Halbnymph. Höre ich dich je diese Worte wiederholen, so wird es nächstes Mal dein Hals sein, der aufgeschlitzt ist." Er hielt das Schwert näher an Ruadans Kehle, bis dieser würgte. "Du weißt sehr gut, dass ich meine Krieger versammelt habe, da ich erfuhr, dass deine eigenen Männer die königliche Wache infiltriert haben. Doch weshalb solltest du so etwas tun, so frage ich mich. Offenbar bist du es, der den Thron begehrt - ganz dem sehnlichsten Wunsch deiner werten Mutter entsprechend."
"Sprich nicht über meine Mutter", stieß Ruadan verächtlich hervor. Er war so aufgebracht, dass er sich gegen das Schwert aufrichten wollte, obwohl die scharfe Klinge sich in die Haut seines Halses grub. Kleine Blutströme rannen aus der Wunde.
Die Augen des älteren Prinzen verengten sich bedrohlich. "Ich spreche über wen immer ich wünsche, Bruder. Ich bin Elathan, Thronfolger Fearanns. Du schuldest mir Lehnstreue und Gehorsam, vergiss das nie."
Das Bild trübte sich und verschwand langsam. Igraine erhaschte noch einen flüchtigen Blick auf die dunkelhaarige Elfenmaid, die in die Arena stürmte und die Brüder anschrie, auseinanderzugehen, Elathan anflehte, Ruadan freizulassen. Elathan wandte sich um, und seine Haltung entspannte sich deutlich, als er sie sah. Sie war Elathans Cousine, mittlerweile erwachsen und unvergleichlich anmutig. Obgleich sie ihm ähnelte, schienen sie sich sehr zu unterscheiden: Dunkel, wo der Prinz hell war, ruhig und nachdenklich im Kontrast zu seinem leidenschaftlichen Temperament. Igraine war überrascht, als ein Anflug von Ärger sie durchfuhr. Ihr gefiel der Gedanke nicht, dass sie sich so nahe gewesen waren. Konnte sie jemals gegen solch perfekte Schönheit ankommen?
Aons Lachen schallte in ihrem Kopf. "Eifersüchtig?" Bevor sie etwas erwidern konnte, flutete er ihren Geist mit zahllosen Bildern, einer überwältigenden Informationsmenge in nur einem Augenblick. "Aufhören", flüsterte sie, doch das Einhorn ignorierte ihren Wunsch, wollte ihr alles zeigen. Igraines Körper erschlaffte in Elathans Armen, als sie von einer Vielfalt an Gefühlen getroffen wurde, die er einst durchlebt hatte.
Ihre Verbindung war so stark, dass sie den Schmerz des Prinzen teilte, als der König die Initiationszeichen in sein Gesicht ritzte, an seiner Seite kniete, als er auf dem Schlachtfeld an Ailidhs zerschmettertem Körper weinte. Sie trauerte mit ihm, zitterte dann vor Hass, als er die Menschheit verfluchte und sein Zuhause verließ, um ins Exil zu gehen, getrennt von allen, die er je geliebt hatte. Zuletzt fühlte sie eine furchtbare, überwältigende Einsamkeit, die eine Ewigkeit anzudauern schien.
"Menschenfrau, du musst wissen, dass das Schicksal bereits einen Weg für Elathan auserkoren hat", sagte die Stimme des Einhorns. "Er weiß es noch nicht, doch schon bald wird er in seine Heimat zurückkehren. Sein Volk braucht seinen Prinzen."
"Ich brauche ihn auch", wagte Igraine zu erwidern. Ihr Herz sank mit jedem Wort etwas tiefer. Sie hatte geahnt, dass er ihr weggenommen würde, doch sie wollte es nicht wissen. Noch nicht. Nur eine weitere Nacht in seinen Armen, dort in dem Baumhaus, das sie insgeheim schon als ihr neues Zuhause
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