Die Gefangene des Elfen 2: Insel des Vergessens (Elven Warrior Series) (German Edition)
betrachtet hatte. Es war der einzige Ort, an dem er jemals allein ihr gehören würde.
"Und er braucht dich, Igraine", sagte Aon. "Du musst bis zum Ende bei ihm bleiben.
"Bis zum Ende", flüsterte sie ungläubig, wünschte sich, das Einhorn aus ihrem Kopf verbannen zu können. Sie bedeckte die Ohren mit den Händen. Doch Aon zeigte keine Gnade. Es kümmerte ihn nicht, ob sie die Wahrheit hören wollte. Ihre Entscheidung war gefallen, sobald sie eingewilligt hatte, ihm Zugang zu ihrer Seele zu gewähren.
"Ja, Igraine. Du hast es bereits gesehen, in deinem Traum. Du wusstest stets, dass es mehr als ein einfacher Albtraum war, ist es nicht so? Du wusstest, dass es die Wirklichkeit war."
Und nun kehrte die Szene aus ihrem Traum wieder zurück, überrollte sie wie eine Welle, die sie nicht aufhalten konnte, ganz gleich, wie sehr sie es auch versuchte. Es war genau, wie sie es in Erinnerung hatte, doch nun kniete Elathan auf einem Schlachtfeld inmitten gefallener Elfenkrieger. Blut strömte aus der Wunde, wo ein Pfeil sein Herz durchbohrt hatte.
Igraine begann, gegen die Visionen anzukämpfen. Sie wollte ihn jetzt nicht sterben sehen. Nicht schon wieder.
"Sieh ihn an, Menschenfrau", befahl das Einhorn und zwang sie zum Zusehen. "Dies ist sein Schicksal. Für sein Volk wird er ein Held sein, lobgepriesen in Liedern und Legenden. Sein Ruhm wird solange andauern, wie die Fae sie ihren Kindern nachts am Feuer erzählen. Auf ewig."
"Das interessiert mich nicht", entgegnete Igraine. "Ich werde ihn nicht sterben lassen. Ich kann nicht zulassen, dass ihm etwas zustößt."
"Es ist wahr, dass der Lauf des Schicksals verändert werden kann, es wurde schon vollbracht. Doch wirst du den Preis dafür zahlen?"
"Das werde ich", sagte sie. "Was ist der Preis, Einhorn? Zeige es mir." Und doch kannte sie in ihrem Herzen längst die Antwort.
Die Szene vor ihrem geistigen Auge veränderte sich abermals. Dieses Mal war sie es, die sterbend in den Armen des Prinzen lag, eine klaffende Wunde in ihrer Brust. Den Kopf vornüber gebeugt, war Elathans Gesicht von seinem mondlichtfarbenen Haar bedeckt. Es lag auch auf ihrem Körper ausgebreitet, in ihrem eigenen Blut getränkt. Sie verspürte den plötzlichen Wunsch, es zurückzustreichen, zu sehen, ob er um sie weinte.
"Ich kann kein Mitleid für dich fühlen", sagte ihr das Einhorn, "denn es liegt nicht in meiner Natur, das zu tun. Aber ich wünsche dennoch, ich hätte dir etwas anderes gezeigt. Nun ist es dein Schicksal, zu wählen. Wirst du es sein, die sterben wird, oder er? Ich vermag nicht, alles zu sehen, was dich erwartet, doch ich weiß, dass nur einer von euch leben kann."
"Er wird leben", entschied Igraine. "Falls du annimmst, dass ich darüber auch nur nachdenke, hast du dich in mir getäuscht, Einhorn. Die Geschichtenerzähler werden einen anderen Helden finden müssen. Ich habe ohnehin nie sehr viel auf alte Legenden gegeben."
"Dann ist es entschieden", sagte Aon. "Du brauchst nun Ruhe, Menschenfrau."
Und ihre Welt versank in Finsternis.
5. Kapitel
Schlafende Schönheit
Elathan trug Igraine aus dem Labyrinth der Höhlen. Mit jedem seiner Schritte verfluchte er dabei das verdammte Einhorn. Sie lag noch immer bewusstlos in seinen Armen. Ihr Kopf war an seiner Brust geborgen, während er mit ihr durch die Dunkelheit ging. Ihre Augen waren geschlossen, und die langen, dunklen Wimpern warfen Schatten auf ihre allzu blassen Wangen. Viel zu blass, entschied er. Was hatte Aon seiner Sterblichen nur angetan?
"Nichts", hatte Aon gesagt, als ihm ein äußerst wütender Prinz ebendiese Frage gestellt hatte. "Ich habe ihr nur bestätigt, was sie bereits wusste." Als Elathans Hand zum Griff seines Schwertes gezuckt war, unbändige Wut in seinen goldenen Augen, fügte das Einhorn hinzu: "Die sterbliche Frau wird fürs Erste leben, Sire. Ihr habt mein Wort darauf. Doch sie braucht nun Ruhe. Der menschliche Geist wurde nicht für die Kraft meiner Visionen geschaffen."
"Was hast du ihr erzählt?" Elathans Blick war finster, bedrohlich. Aon wirkte nicht besonders beeindruckt und entblößte seine Fangzähne mit einem Ausdruck, der nur entfernt einem Lächeln glich. "Es war Eure Entscheidung, Eure eigene Zukunft nicht zu kennen, mein Prinz", entgegnete er. "Doch was Eure Sklavin betrifft …" Er verwendete den Ausdruck mit Absicht und lachte leise, als der Elf zusammenzuckte. "Es war ihr eigener Wunsch, ihr Schicksal zu erblicken - und Eures, Sire. Sie allein
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