Die geheime Braut
gezogen hätte.
Wenn du mich jetzt im Stich lässt, ist aus deiner Leihgabe, wie sie das Instrument inzwischen für sich nannte, eben ein Geschenk geworden.
Die Wellen flüsterten in ihren Traum, trugen und wiegten sie, und auf einmal war das rasch fließende blaue Wasser kein Feind mehr, vor dem sie Angst haben musste, sondern etwas Vertrautes, das sie zu streicheln schien.
So lange hatte niemand mehr ihre Haut berührt!
Im Kloster war es nicht gern gesehen, wenn Nonnen sich körperlich zu nah kamen, denn der Leib galt als etwas Sündiges, das stets und überall vom Teufel verführt werden konnte. Und ihre Kindertage, als jemand sie gekost und geneckt hatte, lagen inzwischen so weit zurück, dass die Erinnerung daran ganz blass geworden war.
Bini streckte und räkelte sich genüsslich, als plötzlich ein Schatten über sie fiel.
»Du«, murmelte sie, als sie die Augen aufschlug und erkannte, wer sich da über sie beugte. »Du!«
Die Freude über seinen Anblick machte ihr Herz ganz weit.
»Ja, ich«, entgegnete er mit seiner warmen, tiefen Stimme. »Wen sonst hast du hier erwartet?«
»Du kommst spät, Rabe.« Sie setzte sich auf, versuchte die Haare zu ordnen und das Kleid glattzustreichen, ließ es dann aber sein. Eulen durften leicht zerrupft aussehen. Daran wollte sie sich halten. »Ich habe schon befürchtet, du würdest gar nicht mehr kommen. Wo ist dein Pferd?«
»Jolanta grast friedlich dort drüben.« Er ließ sich neben Bini auf die Uferböschung sinken, die helle Seite seines Gesichts ihr zugewandt. »Ja, ich bin spät, und ich entschuldige mich dafür. Eigentlich ist es mir schon lästig genug, einem Herrn dienen zu müssen. Nun aber sind gewisse … Umstände eingetreten, die mich zwingen, gleich zweien auf einmal gehorchen zu müssen.« Seine Stimme klang belegt. »Wie ich das hasse! Aber die Not hat mich dazu gebracht, einen Pakt zu schließen, und nun gibt es kein Zurück mehr.«
»Einen Pakt?«, wiederholte sie nachdenklich. »Das klingt ja beinahe, als sei der Teufel mit im Spiel.«
Seine Hände wurden unruhig, schlanke, kräftige Finger, die aussahen, als hätten sie noch nie hart gearbeitet.
»So falsch liegst du damit gar nicht. In gewisser Weise ist der Pakt sogar mit Blut unterzeichnet, so eingeengt fühle ich mich.«
»Das ist nicht gut, denn Raben darf man nicht einsperren«, sagte Bini. »Und wenn man es doch versucht, zieht man dabei stets den Kürzeren. Sie werden immer einen Ausweg finden, weil sie die klügsten Vögel auf Gottes schöner Erde sind.«
»Dann solltest du mir vielleicht besser einen neuen Namen geben«, sagte er mit müdem Lächeln. »Denn sonderlich schlau komme ich mir schon seit Langem nicht mehr vor.«
Er war heute noch sorgfältiger gekleidet als beim letzten Mal, trug unter einem grünen Wams ein reinliches weißes Hemd. Seine braunen Stiefel waren blank gewienert. Wer wohl die Hausarbeit für ihn verrichtete? Bini nahm sich vor, ihn danach zu fragen – aber gewiss nicht heute.
»Hat es andere Zeiten gegeben?«, fragte sie stattdessen.
»Ja, die hat es.« Auf einmal wurde er lebhafter. »Was wollte ich nicht alles bewegen! Die Sonne anhalten, die Sterne vom Himmel holen, der Welt zeigen, was für ein Kerl ich doch bin …« Seine Hand fuhr zum Gesicht, berührte die dunkle metallische Hälfte.
»Und dann kam das dazwischen?«, sagte Bini leise.
Er nickte.
»Nenn es Vorsehung«, sagte er, »oder Schicksal. Oder einfach nur riesengroßes Pech. Jedenfalls hat es aus mir einen anderen gemacht.« Er räusperte sich. »Wie geht es eigentlich meiner Laura? Konnte sie deiner Freundin Freude bereiten?«
Bini sprang auf.
»Ja, wenngleich ganz anders, als ich es mir vorgestellt hatte. Deine Laura hat ein krankes Kind geheilt, weißt du das?«, rief sie. »Meine Freundin hat auf ihr gespielt, als die kleine Elisabeth so sterbenselend daniederlag und keine Arznei ihr helfen wollte. Und ihre Mutter Katharina, ich meine, unsere …« Sie verstummte.
Was konnte, was durfte sie ihm verraten?
Susanna beschwor sie immer wieder, ungeheuer vorsichtig mit allen Auskünften zu sein. Und jetzt stand sie hier und schüttete Rabe ihr Herz aus.
»Du redest doch nicht etwa von der Lutherin?«, fragte er. »Denn Katharina von Bora hat meines Wissens eine kleine Tochter namens Elisabeth, die oft kränkelt.«
»Doch.« Jetzt war es schon heraus. »Von eben der! Katharina hat uns aufgenommen …«
»Uns?«
Wie hartnäckig er sein konnte!
Bini schüttelte den Kopf. »So
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