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Die geheime Braut

Die geheime Braut

Titel: Die geheime Braut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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geht das aber nicht, lieber Rabe«, rief sie. »Du fragst mich aus, während ich noch fast gar nichts über dich weiß. Das finde ich ungerecht.«
    »Ist es nicht genug, dass wir beide jetzt hier zusammen sind?« Seine Hand wies auf den Fluss, dessen Wellen in der Sonne glitzerten. »Ich genieße deine Gegenwart, kleine Eule. Alles andere, was einen sonst quält oder bedrückt, alles Unschöne und Grausame, ist auf einmal so weit weg, dass es mir ganz unwirklich erscheint. Sogar dieses hässliche Ding auf meinem Gesicht kann ich neben dir für ein paar Momente vergessen.«
    Bini ging es ja nicht anders. Wie leicht sie sich in seiner Gegenwart fühlte! Als ob sie wirklich fliegen könnte.
    Er hatte seine Hand ausgestreckt. Zögernd legte sie die ihre hinein, und seine Finger umschlossen sie. Warm und fest war sein Griff. Sie fühlte sich beschützt wie seit Langem nicht mehr.
    Hatte sie sich überhaupt schon einmal im Leben so geborgen gefühlt?
    »Wir haben viel Zeit«, sagte er. »Das solltest du niemals vergessen. Rabe und Eule gehen ihrer Wege, weil die Welt sie ruft, aber sie werden sich wiedersehen. Das jedenfalls wünsche ich mir von ganzem Herzen.«
    »Aber wie finde ich dich?«, rief Bini, der bei der Aussicht auf den nahenden Abschied plötzlich ganz bang wurde. »Wieder hier am Fluss? Was aber, wenn du nicht kommst? Weißt du, dass vergebliches Warten mich ganz krank macht? So war es schon, als ich noch ein Kind war.«
    »Ein Kind«, wiederholte er. »Bist du das denn nicht noch immer? Ich kann spüren, wie hell und vollkommen dein Herz ist. Als ob noch keiner ihm etwas zuleide getan hätte. Bewahr dir das! Solange du nur kannst.«
    Sie zog ihre Hand zurück. Etwas an dem, was er gesagt hatte, machte ihr Angst.
    Jetzt wandte er sich ihr zu, und sie sah die beiden Seiten seines Gesichts von vorn, die helle, menschliche und die dunkle aus Metall, die ihn so fremd machte.
    »Ich werde da sein«, versicherte er. »Und falls es nicht möglich sein sollte, so finde ich dich, kleine Eule. Wo auch immer du sein magst.«
    *
    Der Scharfrichter brachte ein junges Mädchen ins Frauenhaus, aus dem Griet nicht recht schlau wurde. Die Mutter war zahlreicher Vergehen beschuldigt worden und unter der Folter gestorben. Die Tochter war ebenfalls im Turm eingesperrt gewesen, doch auf Geheiß des Rates freigelassen worden.
    »Besonders Ratsherr Cranach hat sich für sie eingesetzt«, murmelte der Scharfrichter. »Ein junges Leben, das gerettet werden soll. Nicht zum ersten Mal, dass er solch noble Anwandlungen bekommt, doch die Suppe auslöffeln dürfen dann immer andere. Wohin mit ihr? Ich dachte, ich bringe sie erst einmal zu dir. Sieh sie dir doch nur einmal an! Die kennt sich aus in eurem Gewerbe.«
    Die Kleine war eine Schönheit mit rehbraunen Augen, roten Locken und langen Beinen, die das zerfetzte Kleid enthüllte. Doch ihre Brauen waren mit Ruß zu dunklen Balken geschminkt, und das billige Karmesin auf Lippen und Wangen verlieh ihr etwas Schäbiges.
    Dennoch brachte ihr Anblick etwas in Griet zum Schmelzen.
    So ähnlich hätte ihre Tochter aussehen können, wenn sie damals das Kind zur Welt gebracht hätte, das sie von Rup erwartet hatte. Doch als er fort war, war sie zur Engelmacherin geschlichen, um sich von der Frucht befreien zu lassen.
    War das Mädchen in Wittenberg aufgetaucht, um sie daran zu erinnern?
    »Wie heißt du?«, fragte sie.
    »Marlein«, murmelte das Mädchen. »Bist du hier die Hurenwirtin?«
    »Ja«, sagte Griet. »Das bin ich. Du hast dich schon für Geld an Männer verkauft?«
    »Ab und zu.« Es klang, als würde sie von jemand anderem sprechen. »Und ich kenne mich gar nicht so schlecht darin aus. Ich kann mir Zöpfe flechten, dann wirke ich noch jünger. Das wollen manche. Und meine Brüste sind so klein wie unreife Äpfelchen. Aber wenn du mir statt dieser Fetzen ein ordentliches Kleid und anständige Schuhe gibst, sehe ich aus wie eine Erwachsene und kann sie alle um den Verstand bringen.«
    »Du bist doch noch viel zu jung, um so etwas behaupten zu können!«
    Marleins Augen blitzten.
    »Was redest du da? Wir haben auf der Straße gelebt, Mutter und ich. Da wird man rasch erwachsen – oder man wacht am anderen Morgen nicht mehr auf. Ich möchte meine rechte Hand behalten, bis ich sterbe, kapiert? Lieber als Hure arbei ten, als beim Stehlen erwischt und bestraft zu werden. Nimmst du mich also hier auf? Ich bin siebzehn. Und schon lange keine Jungfrau mehr.«
    Wie alt mochte sie wirklich

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