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Die geheime Braut

Die geheime Braut

Titel: Die geheime Braut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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übersichtlich war, rissen sich sogar schon Gymnasiasten.
    »Muss dringend zur Apotheke«, murmelte Melanchthon widerwillig.
    »Ihr seid krank? Was fehlt Euch denn?«, erkundigte sich Pistor.
    »Nichts. Beziehungsweise nur das Übliche, mit dem man notgedrungen zu leben lernt. Aber mein Weib …« Er hielt inne.
    Wie sehr sehnte er sich zurück nach den friedlichen Zeiten, da er noch mit seinem Gehilfen in einer echten Männerwirtschaft hatte hausen können. Luther hatte ihn zur Heirat mit Kathi gedrängt. Doch auch nach acht Jahren war er kein richtiger Ehemann für sie. Und die Vaterpflichten für zwei, wenn alles gut ging, bald drei Kinder, strengten ihn übermäßig an.
    »Ihr solltet mehr auf Eure Gesundheit achten.« Pistor beäugte ihn von der Seite. »Ihr seid blass und viel zu mager. Euer linkes Lid zuckt, wenn Ihr Euch aufregt, ist Euch das schon aufgefallen? Ihr habt die dreißig gerade erst überschritten und schon einen runden Rücken. Wie steht es eigentlich mit den Nächten? Bekommt Ihr da auch regelmäßig Schlaf? Oder sehnt Ihr Euch schon seit Langem vergeblich nach satter, träger Müdigkeit, wie sie nur die Lust verschafft?«
    Melanchthon murmelte Unverständliches.
    »Jetzt schaut doch nicht gleich so pikiert drein! Der Leib verlangt nun einmal sein Recht«, fuhr Pistor fort. »Darüber wussten die Menschen der Antike sehr viel mehr und handelten entsprechend. Sie haben der Körperlichkeit in allen Künsten gehuldigt, anstatt sie zu verdammen, wie wir Christen es tun. Alles ist verboten und beschnitten: Begehren, Lust, Besitz – einfach alles!« Er schüttelte den Kopf. »Kein Wunder, dass heutzutage so vieles im Verborgenen blühen muss.«
    »Da scheint Ihr aber Luthers bahnbrechende Ideen nicht zu kennen«, widersprach Melanchthon und ging noch schneller in der Hoffnung, ihn dadurch abzuschütteln. »Er hat der engen Frömmelei mutig den Schleier weggerissen, die Pforten der Klöster geöffnet, den Priestern den Weg aus dem Zölibat geöffnet. Mann und Frau sind für ihn Gottes Kinder, zur Liebe bestimmt …«
    » … aber doch nur in der Ehe. Und nicht jedermann ist für die Ehe geboren, da würdet Ihr mir doch zustimmen, Collega?« Pistor hielt tapfer mit.
    Sie waren am Marktplatz angelangt, und wenn Melanchthon gehofft hatte, nun allein sein zu können, so hatte er sich gründlich getäuscht.
    Ungerührt betrat Pistor neben ihm die Apotheke, wo sie Relin empfing. Die düstere Miene des Apothekers hellte sich bei ihrem Anblick auf, aber es war unübersehbar, dass er an etwas zu kauen hatte.
    »Die Herren …« Geschäftsmäßig flog sein Blick zwischen den beiden hin und her. Man konnte förmlich sehen, wie es hinter seiner faltenzerfurchten Stirn arbeitete. »Womit kann ich dienen?«
    »Das ist mein Kollege, Professor Pistor«, sagte Melanchthon rasch. »Er unterrichtet Griechisch an der Leucorea, ist sehr gefragt und daher stets in Eile. Nehmt ihn also ruhig zuerst an die Reihe!«
    »Keinesfalls!« Pistor hob abwehrend die Hände. »Ich habe mich Euch lediglich angeschlossen. Euch gebührt der Vortritt, verehrter Melanchthon.«
    Nun musste er mit seinem Anliegen heraus, ob er wollte oder nicht.
    »Mein Weib schickt mich«, murmelte er. »Es geht ihr gar nicht gut. Sie leidet an Übelkeit. Schon seit Monaten. Ihre Beine sind so dick wie Säulen. Keinen Schritt würde sie am liebsten mehr tun.«
    »Die werte Gemahlin erwartet ein Kind?«, fragte Relin. »Verzeiht, dass ich es so offen anspreche, aber meine Frau hat mir davon erzählt. Und es ist nicht das erste, habe ich recht? Ihr wisst ja – Frauen haben immer etwas zu tuscheln. Wann ist es denn so weit?«
    Melanchthon wurde immer unbehaglicher zumute.
    »In drei Monaten«, sagte er. »Glaube ich.«
    »Und die Übelkeit dauert noch immer an?«, fragte Relin. »Wogegen die Beine schon jetzt stark geschwollen sind? Dann freilich solltet Ihr dringend etwas dagegen unternehmen!«
    Er ging zu seinen Regalen und begann, geschäftig einzelne Schubladen aufzuziehen, die er auf die Theke hievte.
    »Echte Engelwurz«, murmelte er vor sich hin. »Als Aufguss zu verwenden. Dazu Berberitze – aber unbedingt vor dem Trinken abseihen! Und dann natürlich noch getrockneter Lavendel und Melisse … aber die ist doch sonst immer … Wo ist die denn abgeblieben? Muss ich mich denn um alles hier selbst kümmern?« Jetzt schrie er herrisch: »Mar-ga-retha? Wohin in Gottes Namen hast du wieder die Melisse verräumt?«
    Schon stand die Gerufene neben ihm.

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