Die geheime Braut
hoch, wie von einer Nadel gestochen.
»Damit spaßt man nicht«, sagte sie streng. »Erst recht nicht hier, wo sogar die Wände Ohren haben. Mein Verlobter würde Euch auf der Stelle sein Schwert spüren lassen, könnte er Euch so daherreden hören.«
»Ihr seid verlobt?«
»Natürlich bin ich das, was denkt Ihr denn! Der Kurprinz mag um seine geliebte Sibylle nun mal keine ledigen Mädchen oder Frauen. Sie verderben den Charakter, behauptet er. Nur wer gebunden ist, besitze die notwendige Reife, um seiner Herzenskönigin zu dienen.« Ihre Augen ließen ihn nicht mehr los.
»Dann seid Ihr also eine reife Frau?«, fragte Jan.
Sie ließ ihre Hände flattern, eine Geste, die alles und nichts bedeuten konnte.
»Sibylle hasst es zu warten«, sagte sie schließlich. »Irgendjemand hat ihr eingeredet, dass man das als Kurprinzessin nicht mehr muss. Uns bleibt also nicht viel Zeit. Und die sollten wir nutzen.«
Jan schaute sie fragend an.
Da packte Dilgin seinen Arm und zog ihn ungestüm zu sich herunter.
»So küss mich doch endlich, du Dummkopf!«
*
Vergeblich kämpfte Susanna gegen die Angst an, während sie Butter schlug. Ihr rechter Arm begann zu schmerzen, so drosch sie auf die Sahne ein, die langsam dicker wurde. Ein paar Tränen flossen in das Salz, das sie anschließend sorgfältig einrührte, um die Butter länger haltbar zu machen.
Wie hatte sie jemals auch nur einen bösen Gedanken gegen die junge Apothekerin hegen können?
Jetzt lag Margaretha Relin, wie Luther ihnen nach seiner Rückkehr von der Leucorea mit wachsbleichem Gesicht berichtet hatte, kalt und tot im Seziersaal, um nach der einge henden Untersuchung für die morgige Beerdigung hergerichtet zu werden.
Er hatte sich entschieden, die Totenpredigt für die Ermordete zu halten, und war seitdem in seiner Studierkammer ver schanzt. Trotz der geschlossenen Tür, die jeden Besucher abhalten sollte, ging Katharina zu ihm hinein und kam erst nach einer ganzen Weile mit ernster Miene wieder zurück.
»Der Teufel ist unterwegs in Wittenberg«, sagte sie, was Susannas Angst nur noch weiter steigerte. »Erst du – und jetzt Margaretha. Der Rat hat sich die Aufgabe gestellt, ihn zur Strecke zu bringen, allen voran Cranach. Aber lässt sich das Böse in der Welt jemals wirklich besiegen?«
Sollte sie sich ihr anvertrauen?
Susanna öffnete den Mund, schloss ihn aber wieder, ohne ein Wort zu sagen.
Was würde die Lutherin dann von ihr denken?
Könnte sie, in erfüllter Ehe dem großen Reformator verbunden, wirklich nachvollziehen, was einer jungen Frau an Schrecklichem zugestoßen war, nachdem die Klosterpforten sich für immer geschlossen hatten?
Mit bangem Herzen rührte Susanna inzwischen in der Käsesuppe, die über dem Feuer langsam gar wurde und wegen des traurigen Anlasses als Fastenspeise vorgesehen war. Katharina hatte sie angewiesen, Lauchgemüse dazu zu reichen sowie einen großen Topf Gerstenmus und mehrere Schock gebratener Eier. Eine Zusammenstellung, welche unweigerlich den Unwillen der Studenten hervorrufen würde, die jedes Mal zu murren begannen, wenn es weder Fleisch noch Fisch zu essen gab.
*
Die Stimmung am Tisch war bedrückt.
Nicht einmal Hansis übliche Faxen vermochten die stumme Runde aufzulockern. Muhme Lene wand sich auf der Bank, weil der kranke Rücken ihr erneut übel zusetzte. Elisabeth litt schon wieder an Bauchkrämpfen und war nach der Verabreichung verschiedenster Kräuterteemischungen mit Müh und Not gerade eingeschlafen. Jetzt kam endlich auch Bini hereingeschlichen, die Lider schwer vor Müdigkeit.
Luther, der anfangs schweigsam gelöffelt hatte, schob plötz lich seinen Teller zurück.
»Ich kenne ihn sehr wohl«, sagte er. »Besser als manch anderer, das will ich euch sagen! Auf der Wartburg hat der Teufel hinter meinem Ofen geklappert, an der Decke Nüsse geknackt und mehr als einmal Fässer die Treppe hinuntergerollt. Mein Tintenfass hab ich nach ihm geworfen, aber was hat es genützt? Er hat mich weiterhin heimgesucht, so oft, bis ich irgendwann aufgehört habe, es zu zählen.«
Inzwischen aß niemand mehr.
»Er kann die Gestalt wechseln wie andere ihr Hemd«, fuhr Luther fort. »Jetzt schleicht er nachts in Wittenberg herum und würgt und mordet – und doch dürfen wir uns von ihm nicht bezwingen lassen!«
Sogar Hansi hörte auf zu kauen und starrte den Vater mit großen Augen an.
»Furcht tut nichts Gutes«, fuhr Luther fort. »Darum muss man frei und mutig in allen Dingen sein und fest
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