Die geheime Braut
Anwärter«, sagte sie. »Aber daraus wird nichts werden. Denn mein Verlobter …« Die Pause, die sie folgen ließ, war lang und bedeutungsschwer. »… teilt nur äußerst ungern, dafür ist er bekannt. Ebenso wie für seinen flinken Stahl, den er meisterhaft beherrscht.« Sie zupfte an ihrem Rock. »Also lasst uns lieber gemalte Schätze bewundern, anstatt aus Versehen gefährliche Gefilde zu betreten!«
Sibylle von Sachsen ging zu dem aufgespannten Vorhang, an dem sie jedes Detail einzeln zu bestaunen schien, während Dilgin sich unauffällig in Jans Nähe schlängelte.
»Ich vermisse Euch«, flüsterte sie. »Und fühle mich gleich zeitig ratlos. Wie könnt Ihr nur ohne meine Küsse über leben?«
»Hört auf, mit mir zu spielen!«, zischte Jan zurück. »Ich mag nämlich meinen Kopf. Und wünsche mir, dass er noch eine ganze Weile an Ort und Stelle bleibt.«
Sie stieß ein kurzes Lachen aus.
»Nichts anderes will ich doch auch«, sagte sie leise. »Aber wie steht es mit den anderen Körperteilen?«
Wie zufällig streifte ihre Hand seinen Rücken.
Jan zuckte zusammen, als habe er einen Schlag erhalten. Er konnte nur hoffen, dass die alte, farbenbeschmierte Hose seine Erektion verbarg.
»Paradies und Hölle liegen stets nah beisammen«, sagte Dilgin, während sie sich mit einem letzten schmelzenden Blick wegdrehte. »Wusstet Ihr das noch nicht? Es ist allein an dir, für welche Pforte du dich entscheidest, Jan Seman aus Prag.«
»Ihr habt wunderbare Arbeit geleistet«, rief die Kurprinzessin mit heller Stimme in die Runde. »Mein Gatte wird begeistert sein. Ach, wäre der Abend unseres Jagdfestes nur schon angebrochen! Ich kann es kaum erwarten.«
Sie schaute zu Jan.
»Erweist Ihr mir noch einen ganz besonderen Gefallen?«
»Jeden, Euer Hoheit, der in meinen bescheidenen Möglichkeiten liegt«, sagte er mit einer angedeuteten Verneigung. »Bitte sprecht ganz offen!«
»Dann malt mich als Göttin Artemis auf die Kulissen«, verlangte sie. »Mit Pfeil und Bogen, von Hunden umkläfft, die Röcke geschürzt …« Sibylle schob die Unterlippe vor wie ein kleines Mädchen. »Gerade, weil es jetzt nicht möglich ist. Versprecht Ihr mir das?«
»Aus der Tiefe meines Herzens. Ihr werdet die anmutigste Jagdgöttin sein, die jemals die Wälder Wittenbergs unsicher gemacht hat«, erwiderte Jan galant.
»Dann müsst Ihr aber an diesem festlichen Abend unser Gast sein«, sagte die Kurprinzessin. »Versprecht mir, dass Ihr kommen werdet!«
»Ich?«, fragte Jan. »Unter all den Hofleuten? Das kann nicht Euer Ernst sein, Hoheit!« Er schüttelte den Kopf. »Ich hätte ja nicht einmal ein geeignetes Kostüm.«
»Macht Euch darüber keine Sorgen! Ihr könnt Euch aus unserem Fundus bedienen. Da wird sich bestimmt das Passende finden.«
»Und ich weiß auch schon, was er tragen wird«, rief Dilgin, während Sibylle in zustimmendes Gelächter ausbrach. »Wir statten ihn als Jäger aus. Nichts anderes könnte ihm besser zu Gesicht stehen!«
*
Sollte sie Bini doch einweihen?
Immer wieder war Susanna kurz davor, es zu tun.
Doch die Tage im Luther-Haus waren so turbulent, dass kaum Zeit für ein ungestörtes Gespräch blieb, und wenn sie abends endlich auf ihren Strohsäcken lagen, hing jede eigenen Gedanken nach. Die Kleinen beanspruchten viel Zeit; Muhme Lene musste versorgt und, wenn es schlimm kam, sogar treppauf, treppab im Haus herumgetragen werden. Zudem hatte Katharina neue Studenten aufgenommen, die im Obergeschoss die einstigen Zellen bewohnten und die lange Tafel im ehemaligen Refektorium vergrößerten. Was nichts anderes bedeutete, als dass weitere hungrige Mäuler bei allen Mahlzeiten verköstigt werden mussten.
Schon seit Längerem hatte es Klagen über den dünnen Getreidebrei zum Frühstück gegeben, der die jungen Männer nicht lange sättigte. Susanna schlug vor, dazu Brote mit Butter oder Schweineschmalz zu reichen, ein Vorschlag, den die sparsame Katharina nur zögernd akzeptierte.
»Wir bräuchten unsere eigene Schweinezucht«, sagte Katharina, während Bini die Brote auf einem Holzbrett schichtete. »Dann wären wir auch mit Fleisch nicht länger so knapp.«
»Ein Eber in den Ställen des Luther-Hauses?«, wandte Susanna ein. »Solch ein Tier ist nicht gerade ungefährlich. Wir müssten die Gatter verstärken und die Türen sichern. Und natürlich immer ein ganz besonderes Auge auf unseren neugierigen Hansi haben, der alles und jedes inspizieren will.«
Wieder einer jener besonderen Blicke
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