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Die geheime Braut

Die geheime Braut

Titel: Die geheime Braut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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würde.«
    Ihr Blick glitt tiefer.
    »Allerdings sind deine Brüste klein, und du kommst mir äußerst schüchtern vor. Wenn du deinen Körper verkaufst, darfst du nicht zurückhaltend sein. Sonst machen die Freier mit dir, was sie wollen. Das ist die erste Regel, die du dir merken solltest.«
    Griet deutete auf Susannas verwaschenes Kleid.
    »Etwas Neues zum Anziehen bräuchtest du auch. In solch einem Fetzen wird dich keiner ansehen.« Ihr Tonfall wurde geschäftsmäßig. »Wie viele Männer hast du schon gehabt? Komm schon, raus damit! Fünf? Zehn? Oder mehr?«
    Was sollte Susanna darauf antworten?
    Hilf mir, Maria, heiligste Mutter Gottes!, betete Susanna stumm. Bis zu jenem schrecklichen Tag, der mich ins Unglück gestürzt hat, war ich einzig und allein die keusche Braut Deines Sohnes. Lass mich jetzt nicht im Stich!
    Sie zuckte die Schultern.
    »So viele, dass du dich nicht mehr erinnern kannst?«, fragte Griet. »Das klingt allerdings vielversprechend.«
    Susanna schluckte verlegen.
    Griet begann zu lächeln. »Dann weißt du ja, was in Gottes schöner Schöpfung so alles vorkommen kann. Einigen Freiern geht es um Lust, wieder andere wollen Macht spüren oder zu spüren bekommen. Du kannst nie sicher sein, was dich er wartet, das ist das Gefährliche daran. Ich werde mit dem Patron sprechen, sobald er wieder zurück ist …«
    »Warte!«, rief Susanna. Wenn ihr Peiniger sie wiederer kannte, war sie verloren. Aber wie sollte sie ihn zu Gesicht bekommen, ohne von ihm gesehen zu werden? Ihr Herz schlug hart gegen die Rippen. »Ich wollte nur einmal fragen …«
    »Jetzt bekommst du Angst.« Das Lächeln verschwand. »Das sehe ich in deinen Augen. Und vielleicht ist es auch ganz richtig so. Denn es gibt keinen Weg zurück, das musst du wissen. Jede Frau, die die Schwelle des Freudenhauses überschreitet, ist gezeichnet. Einmal Hure – immer Hure. Und glaube mir, ich weiß, wovon ich rede!«
    »Ich hab keine Angst«, stotterte Susanna. »Es ist nur so, dass ich noch nicht …« Sie verstummte.
    Worauf hatte sie sich nur eingelassen?
    »Beruhige dich!« Griets Tonfall hatte auf einmal etwas Mütterliches. »Denk nach, schlaf ein paar Nächte darüber! Und wenn du dann noch immer dieses Leben möchtest, so komm zu mir. Du weißt ja, wo du mich findest.«
    Sie nickte ihr zu und verschwand in Richtung Elstertor.
    Mit bangem Herzen schaute Susanna ihr hinterher.
    *
    Als die Uhr von St. Marien siebenmal schlug, hatten sich alle vor Pistors Haus versammelt. Als Letzter war Melanchthon eingetroffen, das Haupthaar wie immer leicht zerzaust, die dunkelgrüne Schaube zerknittert, als habe er sie gerade erst aus den Tiefen einer Truhe hervorgezerrt. Kaum hatte Luther den Klopfer gegen die massive Eichentür schlagen lassen, ging diese auf.
    Eine dunkel gekleidete Frau stand vor ihnen, das Gesicht so bleich, dass es fast wächsern wirkte.
    »Collega Pistor hat uns eingeladen«, sagte Luther. »Und hier sind wir!«
    Sie trat zurück, um den Weg freizugeben. Kein Wort. Nicht die Spur eines Lächelns.
    Die Männer blieben stehen und tauschten untereinander unbehagliche Blicke.
    »Falls wir ungelegen kommen, müsst Ihr es uns nur wissen lassen«, sagte Block nach einem unsicheren Räuspern. »Dann könnten wir auf der Stelle …«
    »Willkommen in meiner bescheidenen Kemenate!« Pistor kam ihnen entgegen, die Arme zu einem angedeuteten Gruß erhoben.
    »Wir dachten, wir hätten uns womöglich im Tag geirrt«, sagte Luther beherzt, während er als Erster hineinging. Die anderen folgten ihm. »Denn Eure …«
    »Moira besorgt für mich das Haus«, sagte Pistor. »Ein schreckliches Unglück hat ihr die Stimme geraubt – und den Namen dazu. So hab ich meine treue Dienerin Moira genannt, das scheint ihr zu gefallen.« Ein knappes Lächeln. »Kommt doch bitte! Im Refektorium ist bereits gedeckt. Aber vielleicht möchtet Ihr Euch zuerst in den anderen Räumen umsehen?«
    »Ihr nennt Euer Esszimmer Refektorium?« Melanchthon verzog die Lippen. »Befinden wir uns hier denn etwa in einem Kloster?«
    »Manchmal denke ich das beinahe«, erwiderte Pistor. »Aber seht selbst!«
    Er stieß die erste Tür auf, dahinter die zweite, eine dritte.
    Alle Wände waren mit Regalen verkleidet, in denen Buchrücken an Buchrücken stand.
    Hunzinger und Schöneberg traten an das erste Regal, Winsheim und Luther eilten zum nächsten, während Melanchthon den Mund kaum noch zubekam.
    »Aber das sind ja wahre Schätze, die Ihr gesammelt habt!«, rief er.

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