Die geheime Braut
Giebel. Ich werde dort einen kleinen Imbiss vorbereiten, Euch meine Bücher zeigen und Gelegenheit geben, im vertraulichen Gespräch mehr über mich zu erfahren. Erst danach solltet Ihr Eure Entscheidung treffen – und ich die meine.«
»Wann erwartet Ihr uns?«, erkundigte sich Block, der unbeweibt und stets hungrig war.
»Beim Abendläuten. Dann ist es noch hell, und niemand muss befürchten, unterwegs irgendwelchem Gesindel in die Hände zu fallen.«
Alle nickten wie ein Mann. Nicht einmal Luther hatte etwas dagegen einzuwenden.
»Dann bis in fünf Tagen in meiner einsamen Kemenate.« Pistor deutete eine Verneigung an. »Ich werde alles daransetzen, Euren Erwartungen gerecht zu werden.«
*
Griet spürte seine Unruhe, die heute Abend schlimmer war als je zuvor. Nicht einen Augenblick blieben die Hände ruhig, sondern zuckten auf dem Umhang herum wie böse weiße Spinnen.
Nichts konnte sie ihm recht machen.
Die Abrechnungen seien falsch, behauptete der Patron, obwohl sie die Zahlenreihen zur Sicherheit gleich dreimal hintereinander addiert hatte und stets zum gleichen Ergebnis gelangt war. Sie verschwende Wein, war der nächste Vorwurf, ebenfalls aus der Luft gegriffen. Und sie habe die Dirnen nicht mehr im Griff.
Das wog am schwersten.
Denn er hatte damit ins Schwarze getroffen.
Etwas schwelte unter den Frauen und vergiftete das Klima im ganzen Haus. Isa, die nie lange den Mund halten konnte, brachte es schließlich auf den Punkt.
»Die Kleine muss weg«, verlangte sie. »Eine Schmarotzerin wie sie brauchen wir nicht. Jede von uns macht die Beine breit und gibt ihren Teil ab. Sie aber wird ausstaffiert wie eine Prinzessin und kann Maulaffen feilhalten, anstatt wie wir hart für ihren Lohn zu arbeiten. Davon haben wir alle genug.«
Isa war nicht zu beschwichtigen gewesen, ebenso wenig wie die anderen, die keiften und maulten und nicht aufhören wollten, sich zu beschweren. Woher der Patron davon Wind bekommen hatte, war Griet unerklärlich, kam er doch nur spätnachts angeschlichen, wenn alle Frauen längst schliefen.
Jetzt saß er vor ihr – und machte ihr Angst.
Die dunkle Maske war verrutscht und verdeckte noch mehr von seiner bleichen Haut als sonst. Wie ein Schattenwesen kam er ihr vor, ein Nachtmahr, der sich im Dunkeln auf die Brust des Schlafenden senkt und dort festsaugt.
»Wirst du damit fertig, schöne Griet?«, hörte sie ihn sagen. »Oder müssen unsere Wege sich an dieser Stelle trennen – was ich zutiefst bedauern würde?«
Sie glaubte ihm kein Wort und wünschte sich, Rup stände vor der Tür und würde ihn seine starken Fäuste spüren lassen. Doch da war niemand, der sie beschützen konnte – sie und Marlein, die einen Stock über ihr friedlich schlief.
Jetzt bedauerte sie ihren Streit vor der Lebzelterei und die Drohungen, die sie gegen die Kleine ausgestoßen hatte.
»Wenn du nicht endlich gehorchst, werde ich dich in den Keller sperren und von Ratten auffressen lassen.« Klang sie nicht fast schon so wie der Patron?
»Ich tu doch alles, was du willst!« Marlein hatte sich an ihren Arm geklammert. »Aber nur keine Ratten – bitte nicht! Schick endlich ein paar Kerle zu mir, denen ich das Paradies zeigen kann. Mehr verlange ich ja gar nicht.«
Der Patron erhob sich abrupt. Jetzt waren die weißen Spinnen endlich ruhig.
»Ihr wollt schon gehen?«, fragte Griet vorsichtig.
»Keineswegs.« Sie glaubte, ihn unter dem Metall grinsen zu sehen. »Es gibt noch so vieles, was vorbereitet sein will, bis ich …«
Eine Bewegung, als wollte er sich die Maske herunterreißen, doch als sie wieder hinzusehen wagte, war alles wie zuvor.
»Ich werde eine Zeit lang nicht kommen können«, sagte er. »Geschäfte, schöne Griet, wichtige Geschäfte.«
»Ihr verlasst die Stadt?«
»Wüsste nicht, was dich das anginge«, sagte er scharf. »Bis zu meiner Rückkehr bist du mir für alles verantwortlich. Und keine Unregelmäßigkeiten, sonst wirst du es bitter bereuen.«
Sie nickte.
»Und jetzt verschwinde in dein Zimmer.« Der Befehl war eindeutig.
Was hatte er vor?
Sich in die Dachkammer zu schleichen? Oder zu Marlein?
Griet stand so langsam von dem Schemel auf, als wäre sie festgeklebt. Männer wie er, die Frauen verkauften, besaßen oft großen Ekel vor allem Weiblichen.
»Die Kleine macht sich«, sagte sie beiläufig. »Das weiße Kleid, die bunten Bänder, die bloßen Füße: Kein Engel könnte anziehender sein und verderbter. Schade nur, dass sie ausgerechnet heute so leiden
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