Die geheime Geschichte: Roman (German Edition)
Hemden.
»Oh, hallo, mein Alter«, sagte Bunny. »Nur herein. Haben gerade einen kleinen Kaffeeklatsch. Ja, Frauen taugen schon zu ein oder zwei Dingen«, fügte er hinzu, als er meinen Blick auf Camilla und das Bügelbrett sah. »Allerdings würde ich als Gentleman« – er zwinkerte grinsend – »nur ungern sagen, was das zweite ist, angesichts unserer gemischten Gesellschaft et cetera. Charles, gib ihm doch ’ne Tasse Kaffee, ja? Brauchst sie nicht zu spülen, sie ist sauber genug«, sagte er in scharfem Ton, als Charles eine schmutzige Tasse von der Ablaufplatte nahm und den Wasserhahn aufdrehte.
»Aufsatz fertig?«
»Ja.«
»Welches Epigramm?«
»Zweiundzwanzig.«
»Hmn. Hört sich an, als ob alle auf die Tränendrüsen gedrückt hätten. Charles hat sich das über das tote Mädchen ausgesucht, das jetzt von all seinen Freundinnen vermißt wird, und du, Camilla, du hast ...«
»Nummer vierzehn«, sagte Camilla, ohne aufzublicken, und drückte die Spitze ihres Bügeleisens ziemlich heftig auf den Hemdkragen.
»Hah. Ich selbst hab’ mir eins von den fetzigeren vorgenommen. Schon mal in Frankreich gewesen, Richard?«
»Nein«, sagte ich.
»Dann solltest du diesen Sommer mitkommen.«
»Mitkommen? Mit wem?«
»Mit Henry und mir.«
Ich war so verblüfft, daß ich ihn nur anblinzeln konnte.
»Nach Frankreich?«
»Mais oui . Zwei Monate. Echte Traumreise. Guck mal.« Er warf mir die Illustrierte zu, und jetzt sah ich, daß es ein Hochglanzprospekt war.
Ich schaute hinein. Es war wirklich ein Sahnestück von einer Traumreise – eine »Luxushotel-Flußkreuzfahrt«, die in der Champagne begann und per Heißluftballon nach Burgund führte, wo es mit dem Schiff weiterging, durch das Beaujolais hinunter zur Riviera und nach Cannes und Monte Carlo ... Der Prospekt war üppig illustriert, voll mit bunten Bildern von Gourmetmahlzeiten, blumengeschmückten Flußbarken und glücklichen Touristen, die Champagnerkorken knallen ließen und aus dem Korb ihres Ballons zu den verdrossenen alten Bauern auf den Feldern unter ihnen hinunterwinkten.
»Sieht toll aus, was?« meinte Bunny.
»Fabelhaft.«
»Rom war okay, aber ehrlich gesagt, es war doch eine Art Sickergrube, wenn man’s genau betrachtet. Außerdem komme ich persönlich gern ein bißchen mehr rum. Bleib’ ein bißchen in Bewegung, lerne die Sitten und Gebräuche der Einheimischen kennen. Unter uns gesagt, ich wette, für Henry wird es ein Fest werden.«
Die Wette halte ich, dachte ich und starrte das Bild einer Frau an, die ein französisches Stangenbrot in die Kamera hielt und dabei grinste wie eine Irre.
Die Zwillinge waren bemüht, meinen Blicken auszuweichen. Camilla beugte sich über Bunnys Hemd, und Charles hatte mir den Rücken zugewandt, sich mit den Ellbogen auf ein Sideboard gestützt und schaute aus dem Küchenfenster.
»Natürlich, die Ballongeschichte ist schon super«, meinte Bunny im Plauderton, »aber weißt du, ich hab’ mich schon gefragt, wie geht man da aufs Klo? Über den Rand oder was?«
»Hört mal, ich glaube, das dauert hier noch ein paar Minuten«, sagte Camilla unvermittelt. »Es ist fast neun. Warum gehst du nicht mit Richard schon mal vor, Charles? Ihr könnt Julian sagen, er soll nicht warten.«
»Na, so viel länger wirst du ja wohl nicht mehr brauchen, oder?« fragte Bunny grob und reckte den Hals, um nach dem Hemd zu sehen. »Was ist denn das große Problem? Wo hast du überhaupt Bügeln gelernt?«
»Hab’ ich nicht. Wir haben unsere Wäsche in die Wäscherei gegeben.«
Charles ging ein paar Schritt weit hinter mir hinaus. Wir liefen wortlos den Gang entlang und die Treppe hinunter, aber als wir unten waren, kam er heran, faßte mich beim Arm und zog mich in ein leeres Kartenzimmer. In den zwanziger und dreißiger Jahren
war Bridge in Hampden die große Mode gewesen; als die Begeisterung vergangen war, hatte man diese Räume keinem neuen Zweck zugeführt, und heute benutzte man sie nur noch für Drogendeals, zum Tippen oder für verbotene romantische Stelldicheins.
Charles schloß die Tür. Ich sah den alten Kartentisch vor mir – an den vier Ecken waren Einlegearbeiten, die Kreuz, Pik, Herz und Karo darstellten.
»Henry hat uns angerufen«, sagte Charles. Er kratzte mit dem Daumennagel an der erhabenen Kante des Karo und hielt den Kopf bemüht gesenkt.
»Wann?«
»Heute früh.«
Einen Moment lang sagten wir beide nichts.
»Es tut mir leid«, sagte Charles und blickte auf.
»Was tut dir
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