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Die geheime Geschichte: Roman (German Edition)

Die geheime Geschichte: Roman (German Edition)

Titel: Die geheime Geschichte: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Tartt
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Bleistiftstummel und seine blau-emaillierte Pillendose zutage. Dann hatte er zwei Vierteldollarstücke gefunden und legte sie auf den Tisch. »Hier«, sagte er. »Geh am Zeitungsstand vorbei und kauf dir auf dem Heimweg eine Zeitung.«
    »Warum?«
    »Für den Fall, daß jemand sich fragt, weshalb du um diese Zeit herumläufst. Kann sein, daß ich heute abend mit dir reden muß. Wenn ich dich nicht antreffe, hinterlasse ich die Nachricht, daß Dr. Springfield angerufen hat. Versuche nicht vorher, mit mir Verbindung aufzunehmen – es sei denn natürlich, es ginge nicht anders.«
    »Klar.«
    »Dann bis später.« Er wollte hinausgehen, aber in der Küchentür blieb er noch einmal stehen und sah mich an. »Ich werde dir das nie vergessen, weißt du«, sagte er sachlich.
    »Das ist doch nichts.«
    »Es bedeutet sehr viel, und das weißt du.«
    »Du hastmirauch schon den einen oder anderen Gefallen getan«, sagte ich, aber da war er schon hinausgegangen und hörte mich nicht. Jedenfalls gab er keine Antwort.
     
    Ich kaufte in dem kleinen Laden unten an der Straße eine Zeitung und ging durch die feuchtkühlen, ergrünenden Waldstücke abseits des Hauptwegs zur Schule zurück; hier und da mußte ich über Steine und modernde Stämme klettern, die mir den Weg versperrten.
    Es war immer noch früh, als ich auf dem Campus ankam. Ich betrat Monmouth House durch die Hintertür. Oben an der Treppe blieb ich erstaunt stehen: Die Hausvorsitzende und eine Meute Mädchen in Bademänteln hatten sich um die Besenkammer geschart und redeten in unterschiedlich schrillen Tönen der Empörung durcheinander. Als ich mich vorbeidrängen wollte, packte Judy Poovey, in einen schwarzen Kimono gehüllt, meinen Arm. »Hey«, sagte sie, »da hat jemand in die Besenkammer gekotzt.«
    »Einer von den verdammten Erstsemestern«, sagte ein Mädchen neben mir. »Die saufen sich voll und kommen dann, um zu reihern.«
    »Na, ich weiß nicht, wer es war«, erklärte die Hausvorsitzende, »aber wer immer es war, hatte Spaghetti zum Abendessen.«
    »Hmnn.«
    »Das bedeutet jedenfalls, daß er kein Mensa-Abonnement hat.«
    Ich schob mich zwischen ihnen hindurch, ging in mein Zimmer, schloß die Tür hinter mir ab und schlief beinahe sofort ein.
     
    Ich schlief den ganzen Tag, den Kopf ins Kissen vergraben, trieb behaglich dahin wie ein Toter, nur von ferne gestört durch eine kühle Tiefenströmung der Wirklichkeit – Stimmen, Schritte, schlagende Türen –, die sich durch die dunklen, blutroten Wasser des Traumes zog. Der Tag verrann in die Nacht, und ich schlief immer noch, bis schließlich das Rauschen und Rumpeln einer Toilettenspülung mich aus dem Schlaf holte.
    Die Saturday Night Party hatte bereits angefangen, nebenan in Putnam House. Das hieß, daß das Abendessen vorbei und die Snackbar geschlossen war und daß ich mindestens vierzehn Stunden geschlafen hatte. Monmouth House war verlassen. Ich stand auf, rasierte mich und nahm ein heißes Bad. Dann zog ich einen Bademantel über, biß in einen Apfel, den ich in der Hausküche gefunden hatte, und ging barfuß die Treppe hinunter zum Telefon, um zu sehen, ob dort irgendwelche Nachrichten für mich hinterlassen worden waren.
    Es waren drei. Bunny Corcoran um Viertel vor sechs. Meine Mutter aus Kalifornien um Viertel vor neun. Und ein Dr. H. Springfield, D.D.S., der mir vorschlug, ihn aufzusuchen, sobald es mir paßte.
     
    Ich war ausgehungert. Als ich bei Henry ankam, sah ich zu meiner Freude, daß Charles und Francis noch an kaltem Huhn und Salat herumstocherten.
    Henry schien seit unserer letzten Begegnung nicht geschlafen zu haben. Er trug eine alte Tweedjacke mit zerschlissenen Ellbogen, und an den Knien seiner Hose waren Grasflecken. »Die Teller stehen in der Anrichte, falls du Hunger hast«, sagte er, zog seinen Stuhl heraus und ließ sich schwer darauf fallen, wie ein alter Farmer, der gerade vom Feld nach Hause kam.
    »Wo warst du?«
    »Darüber reden wir nach dem Essen.«
    »Wo ist Camilla?«
    Charles fing an zu lachen.
    Francis legte ein Hühnerbein aus der Hand. »Sie hat ein Date«, sagte er.
    »Du machst Witze. Mit wem denn?«
    »Mit Cloke Rayburn.«
    »Sie sind auf der Party«, sagte Charles. »Vorher hat er sie auf ein paar Drinks eingeladen, und so weiter.«
    »Marion und Bunny sind auch dabei«, sagte Francis. »Es war Henrys Idee. Heute abend hat sie ein Auge auf du-weißt-schonwen.«
    »Du-weißt-schon-wer hat heute nachmittag am Telefon eine Nachricht für mich

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