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Die geheime Geschichte: Roman (German Edition)

Die geheime Geschichte: Roman (German Edition)

Titel: Die geheime Geschichte: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Tartt
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Fingerkuppen waren schwarz. »Sie haben meine Fingerabdrücke abgenommen«, sagte er. »War irgendwie interessant. Hab’ ich noch nie erlebt.«
    Einen Augenblick lang waren wir alle zu schockiert, um etwas zu sagen. Henry trat vor, nahm Charles’ Hand und untersuchte sie im Schein der Lampe. »Weißt du, warum sie das getan haben?« fragte er.
    Charles wischte sich mit dem Handrücken der freien Hand über die Stirn. »Sie haben Bunnys Zimmer versiegelt«, sagte er. »Ein paar Leute sind drin und suchen alles nach Fingerabdrücken ab und tun Sachen in Plastikbeutel.«
    Henry ließ seine Hand fallen. »Aber wieso?«
    »Ich weiß nicht, wieso. Sie wollten die Fingerabdrücke von allen, die am Donnerstag im Zimmer waren und irgendwas angefaßt haben.«
    »Was soll das nützen? Sie haben doch Bunnys Fingerabdrücke nicht.«
    »Anscheinend doch. Bunny war Pfadfinder, und sein Trupp ist vor Jahren mal hingegangen und hat sich die Fingerabdrücke abnehmen lassen, für irgendein Polizeiabzeichen. Die sind immer noch irgendwo in einer Akte.«
    Henry setzte sich. »Warum wollten sie mit dir reden?«
    »Das haben sie mich als erstes gefragt.«
    »Was?«
    »›Warum, glauben Sie, wollen wir mit Ihnen reden?‹« Er rieb sich mit dem Handballen Schläfe und Wangen. »Diese Leute sind clever, Henry. Sehr viel cleverer als die Polizei.«
    »Wie haben sie dich behandelt?«
    Charles zuckte die Achseln. »Dieser Davenport war ziemlich schroff. Der andere – dieser Italiener – war netter, aber er hat mir angst gemacht. Hat nicht viel geredet, immer bloß zugehört. Er ist sehr viel gerissener als der andere ...«
    »Und?« fragte Henry ungeduldig. »Was weiter?«
    »Nichts. Wir ... ich weiß nicht. Wir müssen wirklich vorsichtig sein, das ist alles. Sie haben mehr als einmal versucht, mich reinzulegen.«
    »Wie meinst du das?«
    »Na ja, als ich ihnen erzählte, daß Cloke und ich am Donnerstag gegen vier Uhr nachmittags zu Bunnys Zimmer hinuntergegangen sind, zum Beispiel.«
    »Aber das stimmt doch«, sagte Francis.
    »Ich weiß. Aber der Italiener – er ist wirklich ein sehr netter Mann – machte plötzlich ein ganz besorgtes Gesicht. ›Kann das stimmen, mein Junge?‹ sagte er. ›Denken Sie noch mal nach.‹ Ich war ganz verwirrt, weil ich wußte, daß wir um vier da gewesen waren, und dann sagte Davenport: ›Überlegen Sie sich’s lieber noch mal; Ihr Kumpel Cloke hat uns erzählt, daß Sie beide eine volle Stunde in dem Zimmer gewesen waren, ehe Sie irgend jemanden informierten.‹«
    »Sie wollten feststellen, ob ihr etwas zu verbergen habt, du und Cloke«, sagte Henry.
    »Kann sein. Kann auch sein, daß sie bloß sehen wollten, ob ich lügen würde.«
    »Und – hast du?«
    »Nein. Aber wenn sie mich was gefragt hätten, was ein bißchen heikler gewesen wäre ... und ich hatte irgendwie Angst ... Du hast keine Ahnung, wie das ist. Die sind zu zweit, und du bist allein, und du hast nicht viel Zeit zum Nachdenken ... Ich weiß, ich weiß«, sagte er verzweifelt. »Aber es ist nicht wie bei der Polizei. Diese Kleinstadtcops rechnen eigentlich nicht damit, daß sie irgendwas finden. Sie wären schockiert, wenn sie die Wahrheit wüßten, und sie würden es wahrscheinlich gar nicht glauben, wenn man es ihnen sagte. Aber diese Typen ...« Ihn schauderte. »Mir war nie klar, weißt du, wie sehr wir uns auf unsere Erscheinung verlassen«, sagte er. »Der springende Punkt ist ja nicht, daß wir so clever sind, sondern daß wir nicht aussehen, als ob wir es getan haben könnten. Wir könnten in den Augen der meisten ebensogut eine Bande von Sonntagsschullehrern sein. Aber diese Typen lassen sich nichts vormachen.« Er griff nach seinem Glas und nahm einen Schluck. »Übrigens«, fuhr er fort, »sie haben eine Million Fragen zu eurer Italienreise gestellt.«
    Henry blickte erschrocken auf. »Haben sie nach der Finanzierung gefragt? Wer alles bezahlt hat?«
    »Nein.« Charles trank sein Glas leer und ließ das Eis einen Augenblick lang darin klirren. »Ich hatte schreckliche Angst, daß sie es tun würden. Aber ich glaube, sie waren irgendwie übermäßig beeindruckt von den Corcorans. Ich glaube, wenn ich ihnen erzählt
hätte, daß Bunny niemals dieselbe Unterhose zweimal angezogen hätte, dann hätten sie mir wahrscheinlich geglaubt.«
    »Was ist mit diesem Kerl von der Autowerkstatt?« fragte Francis. »Der gestern abend im Fernsehen war?«
    »Ich weiß nicht. Ich hatte den Eindruck, sie interessieren sich sehr

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