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Die geheime Geschichte: Roman (German Edition)

Die geheime Geschichte: Roman (German Edition)

Titel: Die geheime Geschichte: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Tartt
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Liz Ocavello, eine Art Lokalberühmtheit mit einem eigenen Aktualitätsmagazin und einem Special namens »Movie Beat« in den Lokalnachrichten – kam mit gezücktem Mikrofon heran. »Mr. Hundy«, rief sie. »Mr. Hundy.«
    Er blieb verwirrt stehen, und seine Begleiter gingen weiter und ließen ihn allein auf der Treppe zurück. Dann merkten sie, was da vorging, und kamen zurück, um sich mit amtlichen Mienen um ihn herumzudrängen, fast als wollten sie verhindern, daß Liz mit ihm redete. Sie packten Hundy bei den Ellbogen und wollten ihn weiterschieben, aber er sträubte sich und blieb stehen.
    »Mr. Hundy«, sagte Liz Ocavello und drängte sich zu ihm heran. »Man hört, Sie hätten heute mit Polizeizeichnern an Phantombildern der Personen gearbeitet, die Sie am Sonntag mit dem verschwundenen Jungen zusammen gesehen haben.«
    Mr. Hundy nickte ziemlich munter. Seine schüchterne, ausweichende Art, die er am Tag zuvor gezeigt hatte, war einer etwas selbstbewußteren Haltung gewichen.
    »Könnten Sie uns erzählen, wie sie ausgesehen haben?«
    Die Männer drängten sich von neuem um Mr. Hundy, aber er schien von der Kamera ganz verzaubert zu sein. »Na ja«, sagte er, die waren nicht von hier. Die waren ... dunkel.«
    »Dunkel?«
    Jetzt zerrten sie ihn die Treppe herunter. Er warf noch einen Blick über die Schulter, als teile er ihr im Vertrauen etwas mit. »Araber«, sagte er. »Sie wissen schon.«
    Liz Ocavello mit ihrer Brille und ihrer Fernsehfrisur nahm diese Eröffnung derart ungerührt hin, daß ich glaubte, ich hätte mich verhört. »Danke, Mr. Hundy«, sagte sie und wandte sich um, als Mr. Hundy und seine Freunde weiter die Treppe hinuntergingen. »Soviel von Liz Ocavello am Gericht von Hampden County.«
    »Danke, Liz«, sagte der Nachrichtenmoderator fröhlich und drehte sich in seinem Drehstuhl wieder nach vorn.
    »Moment mal«, sagte Camilla. »Hat der gesagt, was ich glaube, daß er gesagt hat?«
    »Was denn?«
    »Araber? Er sagt, Bunny ist zu ein paar Arabern ins Auto gestiegen?«
    »Im Zusammenhang mit diesen Entwicklungen falten die Kirchen der Umgebung die Hände zu einem gemeinsamen Gebet für das Wohlergehen des verschwundenen Jungen. Nach Angaben von Reverend A. K. Poole von der Ersten Lutherischen haben mehrere Kirchen im Drei-Staaten-Gebiet, darunter die Erste Baptisten-und die Erste Methodistenkirche sowie die Kirche vom heiligen Sakrament und die Gemeinde Gottes, ihre –«
    »Ich frage mich, was dein Automechaniker da vorhat, Henry«, sagte Francis.
    Henry zündete sich eine Zigarette an. Er hatte sie halb aufgeraucht, bevor er sagte: »Haben sie dich nach Arabern gefragt, Charles?«
    »Nein.«
    »Aber im Fernsehen haben sie gerade gesagt, daß er mit dem FBI nichts zu tun hat«, sagte Camilla.
    »Das wissen wir nicht.«
    »Du glaubst nicht, daß das alles irgendwie abgekartet ist?«
    »Ich weiß nicht, was ich glauben soll.«
    Das Fernsehbild hatte wieder gewechselt. Eine dünne, sehr gepflegte Frau in den Fünfzigern – Chanel-Strickjacke, Perlenkette im Halsausschnitt – redete jetzt, und ihre Stimme klang seltsam vertraut.
    »Ja«, sagte sie (wo hatte ich diese Stimme schon mal gehört?), »die Leute von Hampden sind wirklich sehr nett. Als wir gestern am späten Nachmittag in unserem Hotel ankamen, hatte die Concierge bereits –«
    »Die Concierge«, sagte Francis angewidert. »Die haben gar keine Concierge im Coachlight Inn.«
    Ich betrachtete die Frau mit neuem Interesse. »Das ist Bunnys Mutter?«
    »Richtig«, sagte Henry. »Das vergesse ich immer wieder: Du kennst sie ja nicht.«
    Sie war eine schmächtige Frau, sehnig und sommersprossig am Hals, wie es Frauen dieses Typs in diesem Alter oft sind; mit Bunny hatte sie wenig Ähnlichkeit, aber Haar und Augen hatten die gleiche Farbe, und sie hatte seine Nase, die mit ihren Gesichtszügen vollkommen harmonierte, während sie bei Bunny immer ein bißchen unpassend ausgesehen hatte – als sei sie erst nachträglich mitten in sein großes, plumpes Gesicht geklebt worden. Mrs. Corcoran
wirkte hochfahrend und zerstreut. »Oh«, sagte sie und drehte einen Ring an ihrem Finger, »wir sind in der Tat überschüttet worden mit Postkarten aus dem ganzen Land, mit Anrufen, den herrlichsten Blumen ...«
    »Haben die der was gegeben oder so?« fragte ich.
    »Wie meinst du das?«
    »Na, sie wirkt nicht besonders aufgeregt, oder?«
    »Natürlich«, sagte Mrs. Corcoran nachdenklich, »natürlich sind wir alle völlig von Sinnen, wirklich.

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