Die geheime Geschichte: Roman (German Edition)
viel mehr für Cloke als für irgendwas anderes. Vielleicht wollten sie sich nur vergewissern, daß seine Geschichte mit meiner übereinstimmt, aber da waren ein, zwei wirklich seltsame Fragen, die – ich weiß nicht. Es würde mich nicht wundern, wenn Cloke rumläuft und den Leuten seine Theorie erzählt – daß Bunny von Rauschgiftdealern gekidnappt wurde.«
»Bestimmt nicht«, sagte Francis.
»Na, uns hat er sie doch erzählt, und wir sind nicht mal seine Freunde. Obwohl die FBI-Leute anscheinend glauben, er und ich seien die reinsten Busenfreunde.«
»Ich hoffe, du hast dich bemüht, sie da zu korrigieren«, sagte Henry und zündete sich eine Zigarette an.
»Bestimmt hat Cloke das schon klargestellt.«
»Nicht unbedingt«, sagte Henry. Er schüttelte das Streichholz aus und warf es in den Aschenbecher; dann nahm er einen tiefen Zug von seiner Zigarette. »Wißt ihr«, sagte er, »ich dachte erst, diese Verbindung mit Cloke sei ein großes Unglück. Aber jetzt sehe ich, daß uns kaum etwas Besseres hätte passieren können.«
Bevor jemand fragen konnte, was er meinte, sah er auf die Uhr und sagte: »Du meine Güte, wir sollten gehen. Es ist kurz vor sechs.«
Auf dem Weg zu Francis lief eine trächtige Hündin vor uns über die Straße.
»Das ist ein sehr schlechtes Omen«, sagte Henry.
Aber wofür, das sagte er nicht.
Die Nachrichten fingen eben an. Der Moderator blickte von seinen Papieren auf und machte ein ernstes, aber zugleich höchst zufriedenes Gesicht. »Die fieberhafte – und bislang fruchtlose Suche nach dem verschwundenen Studenten Edward Corcoran vom Hampden College geht weiter.«
»Mein Gott«, sagte Camilla und wühlte in der Jackentasche ihres Bruders nach einer Zigarette, »Man sollte doch meinen, sie müßten seinen Namen inzwischen richtig hinkriegen, oder?«
Das Bild wechselte zu einer Luftaufnahme der verschneiten
Hügel, die wie eine Kriegskarte mit stecknadelähnlichen Figuren übersät war; der Mount Cataract ragte schräg und mächtig im Vordergrund empor.
»Schätzungsweise dreihundert Helfer«, berichtete eine Stimme aus dem Off, »darunter Nationalgarde, Polizei, die Feuerwehr von Hampden sowie Angestellte des öffentlichen Dienstes von Central Vermont, haben heute, am zweiten Tag der Suche, die schwer zugängliche Gegend durchkämmt. Darüber hinaus hat das FBI inzwischen eigene Ermittlungen in Hampden eingeleitet.«
Das Bild wackelte und wechselte dann abrupt zu einem schlanken, weißhaarigen Mann mit Cowboyhut, der uns wissen ließ, daß er Dick Postonkill sei, der Sheriff von Hampden County. Er redete, aber kein Laut kam aus seinem Mund; Suchhelfer wimmelten neugierig im Hintergrund, reckten sich auf den Zehenspitzen und grinsten lautlos in die Kamera.
Nach ein paar Augenblicken setzte sich das Tonband ruckartig und verzerrt in Gang. Der Sheriff war mitten im Satz.
» ... Wanderer daran erinnern«, sagte er, »nur in Gruppen loszuziehen, auf den Wegen zu bleiben, einen Marschplan zu hinterlassen und hinreichend warme Kleidung mitzunehmen, falls es zu einem plötzlichen Temperatursturz kommt.«
»Der Sheriff von Hampden County, Dick Postonkill«, sagte der Moderator munter, »mit einigen Tips für unsere Zuschauer zur sicheren Winterwanderung.« Er wandte sich um, und eine zweite Kamera zeigte ihn aus einem anderen Blickwinkel. »Eine der wenigen Spuren im Vermißtenfall Corcoran stammt bisher von William Hundy, einem ortsansässigen Geschäftsmann und Zuschauer der ActionNew s Twelve, der uns über unser Hinweis-Telefon Informationen über den verschwundenen Jugendlichen hat zukommen lassen. Heute hat Mr. Hundy den örtlichen und bundesstaatlichen Polizeiorganen zur Verfügung gestanden und ihnen eine Beschreibung der mutmaßlichen Corcoran-Entführer gegeben ...«
»› ... den örtlichen und bundesstaatlichen Polizeiorganen ... ‹« wiederholte Henry.
»Was?«
»Nicht der Bundespolizei.«
»Natürlich nicht«, sagte Charles. »Meinst du, das FBI glaubt eine blöde Geschichte, die sich irgend so ein Hinterwäldler ausgedacht hat?«
»Na, wenn nicht, weshalb sind sie dann hier?« fragte Henry.
Das war ein beunruhigender Gedanke. In der strahlenden Mittagssonne der MAZ-Aufzeichnung kam eine Gruppe von Männern eilig die Treppe am Gerichtsgebäude herunter. Mr. Hundy war dabei; er hielt den Kopf gesenkt. Er hatte das Haar glatt nach hinten gekämmt und trug statt seiner Tankstellenuniform einen babyblauen Freizeitanzug.
Eine Reporterin –
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