Die geheime Mission des Nostradamus
Seligen seines Geldes wegen geheiratet habe. Und dazu gehört auch, daß ich mir von spirituellen Phänomenen mit schlechten Manieren nichts gefallen lasse. Sag an… Taugst du nun zu etwas? Sonst ab mit dir in den Keller. Ganz nach unten. Und laß dir ja nicht einfallen, dieses Haus zu verfluchen. Es ist bereits bis ans Dach voll wandelnder Gespenster und verfluchter Gegenstände. Die sind meinem Mann wegen seiner Arbeit nach Hause gefolgt. Das heißt, für dich ist kaum noch Platz.«
»Sprich die Worte über dem Schloß nach und blick mir ins Gesicht, dann erfülle ich dir deinen größten Herzenswunsch«, kam es herausgeweht. Doch es klang etwas matt.
»Wenn das keine Torheit ist. Die meisten Menschen denken darüber viel zu wenig nach und wären entsetzt, wenn sie das, was sie für ihren Herzenswunsch halten, erfüllt bekämen.«
»Genau das ist meine Methode«, sagte die Stimme auf einmal fröhlich. »Warum bist du der erste Mensch, der das erkennt, ehe er versucht ist, sich in meine Gewalt zu begeben?«
»Ganz einfach«, erklärte Tantchen. »Ich wollte vor allem anderen Geld haben. Und schon taucht Monsieur Tournet auf und wirft auf Schritt und Tritt mit Geld nur so um sich. Nicht der Herzenswunsch macht den Ärger, sondern die Begleitumstände.«
»Ah, sehr gut. Könnte fast von mir stammen.« Bei soviel hämischer Freude verstummte Tante Pauline einen Augenblick.
»Du bist weiß Gott ein boshaftes kleines Ding«, sagte sie. »Sibille, es wird Zeit, daß wir dieses Geschöpf loswerden. Zwar möchte gewiß die halbe Menschheit seiner habhaft werden, aber mir kommt es aus dem Haus. Ich habe einfach keinen Platz für eine weitere Kuriosität.«
»Zu spät«, freute sich das Ding im Kasten hämisch. »Die junge Frau, die sich einbildet, eine Dichterin zu sein, hat bereits in mein Antlitz geblickt. Da mein letzter Besitzer ermordet wurde, gehöre ich ihr, bis sie stirbt oder sich durch ihre ständigen Wünsche selbst zur ewigen Verdammnis verurteilt. Sie wird von mir angezogen wie von einem Liebhaber und wird sich jedes Mal, wenn sie mein Gesicht sieht, mehr hassen. O ja, ich schenke den Menschen genau das, was sie haben wollen, und dann müssen sie nachbessern und nachbessern, und geraten immer tiefer und tiefer hinein.«
»Nicht meine Patentochter, die belästigst du nicht auf diese Weise. Arnaud, bring das da fort und wirf es in den Fluß. Die Depeschentasche verbrennen wir. Sibille, hör auf zu schniefen und zieh dich an. Du hast heute zu tun, auch wenn dein Vater deine Ergebenheit nicht verdient. Mein innig geliebter Bruder, ha! Der hat seit Jahren nicht mehr mit mir geredet, außer um mich um Geld anzubetteln.«
Ich sah zu, wie Arnaud mit dem Kasten hinausging, und da hörte ich die Stimme: »Nicht in den Fluß, oh, bedenke, was ich gelitten habe. Ausgerechnet du, der ohne Bein lebt, du solltest einen Mann verstehen, der ohne Körper leben muß. Ich könnte dir deinen Herzenswunsch erfüllen – hättest du nicht gern wieder ein schönes, starkes Bein?«
»Du alter Quacksalber, warum gibst du dir dann deinen Körper nicht wieder?« Doch der Rest der Unterhaltung verwehte auf dem Flur. Ich sah Tantchen an, und meine Brauen hoben sich zu einer unausgesprochenen Frage.
»Oh, mach dir keine Sorgen. Der kommt nicht in Versuchung. Arnaud kennt sich mit dem Bösen recht gut aus. Und damit kein Zweifel besteht, der Kasten da ist das leibhaftige Böse.«
»Aber… Aber er hört sich ziemlich mitleiderregend an. Ich meine, er weiß, daß er häßlich ist.«
»Sibille, fall nicht darauf herein. Bösewichter hören sich immer mitleiderregend an, wenn man mit ihnen in Berührung kommt. Sie haben mehr Ausreden als der Hund Flöhe. Die ganze Welt ist schuld, nur nicht sie. Ha, zeige mir einen rechtschaffenen Mann, der behauptet, ihm sei übel mitgespielt worden, er revanchiere sich lediglich, und ich zeig dir einen wahren Schurken. Ich bin überzeugt, selbst wenn man ein so ruchloses Geschöpf wie Nero zu seinen Verbrechen befragte, würde man feststellen, daß auch er behauptet, er verdiene Mitleid.«
Selbst an besonders guten Tagen würde ich das für einen schwierigen Gedanken halten, und dieses war kein besonders guter Tag. Ich war jedoch mit den Nerven völlig am Ende und fragte nur höflich: »Tantchen, woher weißt du so viel über derlei Dinge?« In Wirklichkeit dachte ich, wie kaltblütig und furchtlos sie dem gegenübergetreten war, was mir einen nie gekannten Schrecken eingejagt hatte. Ich meine,
Weitere Kostenlose Bücher