Die geheime Mission des Nostradamus
lange Röhren mit Pfeilbündeln. Häßliche Masken grinsten von den Wänden herab. Als wir den hohen Raum betraten, in dem ich wohnen sollte, begann ich – eine Frau, die, ohne mit der Wimper zu zucken, eine Arkebuse abgefeuert hatte – zu frösteln. Genau in diesem Augenblick fing auch Gargantua an zu knurren, dann bellte er und hechelte durchs Zimmer, ich vernahm einen eigenartigen Schrei, und schon sprang mir etwas Pelziges, Übelriechendes und Klauenbewehrtes auf den Rücken und verfing sich in meinen Locken. Ich kreischte und versuchte, das haarige Ding abzuwehren. Es verschwand im Dunkel, und ich hörte es trippeln und klettern, während der Hund das Himmelbett anbellte, als hätte er eine Katze auf den Baum gejagt. Von der Decke her kam ein seltsames Geschnatter, und im Kerzenschein sah ich, daß der Betthimmel schaukelte und wippte, als spränge jemand darauf herum.
»Was ist das für ein gräßliches Ding?« rief ich, am ganzen Leib zitternd.
»Ach, Señor Alonzo, da bist du ja«, sagte der Hausdiener, der jetzt zum ersten Mal den Mund aufmachte. »Du fehlst Madame. Komm runter, komm runter.« Er stellte die Kerze hin, machte tssst, tssst, griff in seine Tasche und holte etwas heraus, was mir nach einem Stück Kuchen aussah. Es raschelte, dann sprang das Ding vom Betthimmel auf des Dieners Schulter, braun und haarig, langgeschwänzt und mit einer bestickten Samtjacke. Während es sich den Kuchen ins Maul stopfte, blickten mich schwarze Knopfaugen aus einem Gesicht an, das unbeschreiblich alt und trostlos aussah.
»Ein Affe«, sagte ich und faßte mich wieder. »Was hat ein Affe hier zu suchen?«
»Das hier ist nicht irgendein Affe. Das ist Señor Alonzo, mein zweiter Vorgesetzter«, sagte der Diener. »Wir beide, er und ich, sind zusammen zur See gefahren.« Bei diesen Worten zog der Affe auf seiner Schulter eine Grimasse und entblößte dabei spitze kleine Eckzähne. »Wir halten alles für Madame in Schuß, was, Alonzo?« Gargantua schnüffelte und jaulte auf dem Fußboden mitten in einem Berg von Unterröcken.
»Oh, meine Sachen! Alles ruiniert!« rief ich und beeilte mich, sie aufzuheben. Was für eine Katastrophe. Überall lagen Unterröcke und zerknüllte Manuskriptseiten herum, eine Flasche Parfüm war ausgelaufen, das ganze Gepäck zertrampelt.
»Tut mir leid, Mademoiselle. Der Señor muß den Hund gewittert haben. Und er ist böse auf Euch, weil Ihr hierbleibt und Madame Gesellschaft leistet. Ich bringe das alles für Euch in Ordnung. Ei, ist das ein schöner Kasten, den Ihr da mitgebracht habt. Was für ein seltsames Muster.« Als er die versilberte Schatulle aufhob und sie auf eine Kommode stellte, fing der Affe an zu plappern und sprang auf einen großen Schrank mit reichen Schnitzereien.
»Der gehört mir nicht. Ich habe ihn noch nie gesehen… Nein.« Auf dem Fußboden lag der aufgerissene Lederkasten. In seiner Zerstörungsorgie hatte der Affe die Siegel erbrochen und die Verschlüsse geöffnet. »Eine Schatulle«, sagte ich. »Das war also in der Depeschentasche.«
»Na schön«, sagte der Diener mit dem Holzbein. »Das spricht gegen unseren Plan, ihn dem bailli zu übergeben. Man würde uns dort zu viele Fragen stellen, auf die Ihr keine Antwort wißt. Ich werde mich mit Madame beraten. Am besten stecken wir die Schatulle wieder in die Ledertasche, werfen sie morgen früh vor dem Stadttor fort und lassen das Schicksal entscheiden. Oder, besser noch, wir versenken sie in einem Brunnen.« Ich krümmte mich innerlich bei dem Gedanken an die Arglosigkeit, mit der ich auch noch meine Patin in solch gefährliche Lage gebracht hatte. Je eher wir das Ding loswurden, desto besser.
In dieser Nacht fand ich kaum Schlaf. Schreckliche Träume hielten mich wach. Wieder sah ich die bösartige, aufgebrachte Menge und hörte ihren unheildrohenden Gesang, nur daß jetzt Vater im Unterhemd das Holzbündel trug. Doch als ich das Schafott erblickte, sah ich nicht ihn dort, sondern eine andere Hinrichtung, jemanden, der enthauptet werden sollte. »Ach«, sagte ein Vorbeigehender, »eine Frau, die ihren Verlobten umgebracht hat. Furchtbar. Widernatürlich.« Vom Richtblock tropfte Blut… Und wieder und wieder schien eine leise Stimme listig zu sagen: »Ich kann dir alles geben, was du dir wünschst. Mach mich einfach auf, sprich die Worte, die über dem Schloß eingraviert sind, und deine schönsten Träume werden wahr.« Wer mochte das sagen? Ich wachte auf und starrte ins Dunkel, hörte aber nur
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