Die geheime Reise der Mariposa
der sich über die Reling streckte, und einen Flamingokopf, der sich verwundert schief legte. Gleichzeitig merkte er, dass etwas neben ihm im Wasser schwamm. Etwas Schwarz-Weißes. Oskar. Er musste mit José ins Wasser gesprungen sein. Aber er hatte Schwierigkeiten beim Schwimmen.
»Armer kleiner Pinguin«, sagte Jonathan. »Du bist verletzt, schon vergessen?«
Er griff sich Oskar mit einer Hand und folgte José, der vorausschwamm. Und wie José schwamm! Seine Arme wirbelten durchs Wasser, er war ein Tornado aus weißen Tropfen, ein beweglicher Sprühregen, er war schnell … er war nicht schnell genug. Die Mariposa segelte auf und davon, an Bord eine Galapagos-Reisratte, einen Flamingo und eine Menge Dosen mit eingemachten Nahrungsmitteln. Und eine Karte, die es wert war, im Busch von Santiago jemanden dafür bewusstlos zu schlagen.
Warum hatte er das Steuer festgehakt? Warum war er ins Wasser gesprungen? Warum war er so ein gottverdammter, bescheuerter Dummkopf? Tausend Warum schossen durch Josés Kopf, während er versuchte, noch schneller zu schwimmen. Aber niemand konnte so schnell schwimmen wie eine Jacht in voller Fahrt, das wusste selbst der gottverdammteste Dummkopf auf dem Pazifik.
Die Mariposa wurde in der Ferne kleiner und kleiner. Sie war kaum mehr als ein weißer Punkt – und dann hörte sie plötzlich auf, kleiner zu werden. Oder bildete José sich das ein? Der Wind hatte nicht nachgelassen, doch die Mariposa schien jetzt nur noch seitwärtszutreiben, getragen von der Strömung der Wellen. José zwang sich, in langsamen und gleichmäßigen Zügen weiterzuschwimmen, um durchzuhalten. Es war eine verflucht weite Strecke, die er zu überwinden hatte, und die Wellen machten es nicht leichter. Aber wenn die Mariposa wirklich nur noch seitwärtstrieb, war es möglich, es zu schaffen. Einmal drehte er sich nach Jonathan um, Jonathan, der nicht einmal stark genug war, sich zu wehren, wenn jemand ihn ein wenig untertauchte. Er sah seinen Kopf zwischen den weißen Gischtkämmen der Wellen, streckte einen Arm aus dem Wasser und winkte. Er sah nicht, ob Jonathan zurückwinkte. Halte durch!, wollte er rufen, doch er rief nicht. Er brauchte die Luft in seinen Lungen zum Schwimmen.
Der hält schon durch, sagte die Abuelita in Josés Kopf. Stark ist er nicht, der kleine Europäer, aber zäh. Den kriegt so leicht keiner klein. Und glauben würde ich ihm auch nicht alles …
Ab und zu sah José auf, und jedes Mal war die Mariposa ein wenig näher, ein wenig größer, ein wenig greifbarer. Gleichzeitig fühlte er, wie die Kraft aus ihm wich, langsam, aber stetig. Unter ihm waren Meilen aus dunklem Wasser voller Geschöpfe, die darauf warteten, dass er aufgab. Er gab nicht auf. Und endlich, endlich lag die Mariposa vor ihm, und er versprach Gott, irgendwo irgendwann in irgendeiner Kirche eine Kerze anzuzünden.
Als José an Deck kletterte, merkte er, dass er am ganzen Körper zitterte. Das Steuerruder musste sich gelöst haben, zum Glück, und die Mariposa stand im Wind und trieb willenlos mit den Wellen. So, wie die Holländer sie damals gefunden hatten, mit einem Toten an Bord.
Jetzt waren nur ein Flamingo und eine Ratte an Bord. Sie sahen beide verstört aus vom Knattern der hin und her schlagenden Segel und hatten sich unter die Steuerbordbank geduckt. Minuten später wendete José sein Honigboot und steuerte es dorthin zurück, wo er Jonathan vermutete.
Zwischen den Wellen hier auf dem offenen Meer war es schwierig, einen Kopf auszumachen. Aber schließlich entdeckte er einen schwarz-weißen Fleck. Oskar.
»Jonathan!«, rief José. »Wo bist du? Du bist doch irgendwo hier?«
Da tauchte ein blonder Kopf aus den Wellen und eine Hand hielt Oskar fest. Jonathan sah zu José auf und grinste. »Wir … haben jetzt genug vom Schwimmen«, keuchte er. »Es war eine schöne Abkühlung, aber … könnten wir wohl wieder an Bord kommen?«
Den Rest des Tages verbrachten sie damit, keine Unfälle zu haben. José hatte als Kapitän der Mariposa befohlen, dass für eine Weile niemand mehr schwimmen ging, niemand mit Waffen spielte … »und niemand sich an Land verprügeln lässt«, hatte Jonathan hinzugefügt.
José hatte eine Angel in seinem Rucksack, und als der Wind wieder einmal nachließ, spießte er ein Stück Dosenfleisch auf den Haken und fing tatsächlich einen Fisch. Oskar war nur schwer davon zu überzeugen, dass ihm dieser Fisch nicht allein gehörte.
Als José den Fisch abends über dem Gaskocher briet,
Weitere Kostenlose Bücher