Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die geheime Reise der Mariposa

Die geheime Reise der Mariposa

Titel: Die geheime Reise der Mariposa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antonia Michaelis
Vom Netzwerk:
einer Kugel im Kopf aufwache, die du hineingejagt hast, dann habe ich es wenigstens versucht.«
    Sie aßen den Fisch schweigend, und José sah, wie Oskar sich an Jonathan drängte, der seinen durchweichten Verband gewechselt hatte. Der Pinguin sah José beinahe vorwurfsvoll an. Auch Carmen und Eduardo schienen von ihm abgerückt zu sein. Es war, als hätte Jonathan sich mit der Tierwelt gegen ihn verschworen. Aber wieso kümmerte es José eigentlich, was ein paar dumme Tiere dachten?
    Sie teilten die Nacht in mehrere Wachen ein. José übernahm die erste, während Jonathan unten in der Kajüte schlief. Die Sternbilder zogen über José durch die samtene Schwärze, und die Abuelita murmelte vor sich hin, von Toten und Geistern, aber José hörte ihr nicht zu. Er rollte die Gedanken in seinem Kopf hin und her und versuchte Ordnung hineinzubringen. Schließlich nahm er die Segel herunter und warf den Motor an. Er wollte nicht noch ein Unglück riskieren, wenn Jonathan das Steuer übernahm. Noch hatten sie genug Treibstoff. Noch. Als er in die Kajüte hinunterstieg, lag Jonathan auf dem Rücken, den alten Teddybären fest an die Brust gepresst wie ein Kind. Zu seinen Füßen hatte sich der kleine Zoo der Mariposa versammelt.
    »Wach auf«, sagte José, und seine Stimme klang rau. »Du bist dran mit Steuern.«
    Jonathan blinzelte. »Woher weißt du, dass ich die Mariposa nicht in die völlig falsche Richtung steuere?«, fragte er bitter. »Wenn du mir nicht mehr traust?«
    José ließ sich auf die andere Bank fallen. »Steure sie, wohin du willst«, sagte er. »Ich bin zu müde, mich darum zu scheren.«
    Das Nächste, woran er sich später erinnerte, war der Geruch von Tabak. Er blieb einen Moment mit geschlossenen Augen liegen. Wie lange hatte er geschlafen? Der alte Motor dröhnte noch immer ruhig und gleichmäßig und die Mariposa glitt sacht aufwärts und abwärts durch die nächtliche Dünung des Ozeans.
    »Wach auf«, sagte jemand. Es war nicht Jonathan.

Lied des Albatros
    Es schweigen die Säulenkakteen,
    es schweigen Ebbe und Flut.
    Es schweigen die Salzwasserseen
    in senkrechter Mittagsglut.
    Es schweigen die Balsambäume,
    und hoch über ihrem Duft
    schwebe ich: König der Träume,
    ich, der König der Luft.
    Auf majestätischen Schwingen
    gleite ich durch den Wind.
    Ich kann die stärksten Stürme bezwingen,
    ich bin des Unwetters Kind.
    Hier oben kann ich niemals fallen,
    hier bin ich, was der Mensch an Land:
    Hier bin ich zweifellos von allen
    als Herrscher anerkannt.
    Doch höre, Mensch, der du so klug,
    die eine Sorge ist auch dein:
    Die Landung nach dem Höhenflug
    kann durchaus tödlich sein.

El secreto de Jonathan
Jonathans Geheimnis
    W
ach auf! Es ist Zeit, dass wir miteinander reden.«
    José fuhr hoch, stieß sich den Kopf an einem der Vorratsregale und schnappte vor Schmerz nach Luft. Dann sah er sich um. Ihm gegenüber, auf der Backbordbank, saß ein bärtiger alter Mann in ziemlich dreckigen Kleidern. Jetzt nahm er eine Zigarette aus dem Mundwinkel und klopfte die Asche ab.
    »Wer …?«, begann José.
    Der Mann legte den Finger an die Lippen. »Leise!«, sagte er. »Besser, der Motor draußen übertönt unsere Stimmen.«
    »Wer sind Sie?«, flüsterte José. »Was tun Sie hier?«
    »Das sollte ich dich fragen«, antwortete der bärtige Mann. »Das hier ist mein Schiff. Mein Name ist Juan. Juan Casaflora.«
    José fühlte, wie er von innen gefror. Sogar die Abuelita schwieg vor lauter Schreck.
    »Sie sind … tot«, sagte José.
    Casaflora lächelte und nickte langsam. »Ja. Ich bin tot. Ich war krank und ich bin an dieser Krankheit gestorben. Die Holländer haben meinen Leichnam über Bord geworfen, als sie das Schiff fanden. Aber auch ein Toter verlässt sein Schiff nicht. Was tust du mit meiner Mariposa? Du ankerst zwischen den Felsen, obwohl du weißt, dass es dort zu eng ist und dass der Wind drehen kann. Du vertraust das Steuer nachts einem an, der keinen Schimmer vom Segeln hat. Du springst einfach von Bord.« Er schüttelte den Kopf. »Wenn ich euch nicht geholfen hätte, hättet ihr die Mariposa schon ein paarmal verloren.«
    »Das … ich … das tut mir leid«, stotterte José.
    »So, das tut dir leid«, sagte Casaflora. »Dann wirst du sicher auf mich hören. Du wirst den Kurs ändern. Du wirst drehen und zurück nach Westen segeln. Nach Isabela.«
    »Nach Isabela? Warum?« José fragte sich, ob er nur träumte. Das war die einzig logische Erklärung. Es gab keine Toten, die auf

Weitere Kostenlose Bücher