Die geheime Reise der Mariposa
in der Küche Unsinn war, eine Mütze zu tragen. Die Mütze sah ziemlich mitgenommen aus, aber es tat gut, sie zu sehen. Jonathan hatte aus irgendeinem Grund gedacht, Papa hätte die Mütze mitgenommen. Aber natürlich hatte er eine Uniform getragen, da draußen.
»Wir leben weiter«, sagte Jonathan und begann den Tisch zu decken. »Ach so.«
Er schlug die Augen auf und lag einen Moment ganz still. Es war ein so schöner Traum gewesen. Eine so schöne Erinnerung. Er wünschte, er hätte nur diese eine, einzige Erinnerung behalten können und alle anderen vergessen.
Auch die Erinnerung an den letzten Tag. An Josés Griff. Was wusste José? War er irgendwie doch dahintergekommen, dass Jonathan nicht aus London stammte? Aber wieso glaubte er, Jonathan hätte sein Gewehr beseitigt? Er spürte die Stellen an seinen Armen noch, wo er ihn gepackt und zu Boden gedrückt hatte. Sie taten weh. Aber tief in ihm tat etwas noch viel mehr weh. Und das war die Kälte in Josés Stimme gewesen. Er hatte gedacht, sie wären Freunde geworden. Er hatte sich getäuscht.
Als er an Deck kam, hatte José Kaffee gekocht.
»Guten Morgen«, sagte er. Jonathan nickte nur und nahm die Blechtasse, die José ihm hinhielt. Oskar und Eduardo waren bereits mit einer weiteren Dose Suppe beschäftigt und Carmen saß auf den Hinterpfoten und ließ sich von José mit Brotstückchen füttern.
»Ich habe noch ein Brot gefunden«, sagte José. »Eingeschweißt.«
»Hm«, sagte Jonathan.
»Jonathan, wegen gestern …« José sah ihn an. In seiner Stimme war keine Kälte mehr. »Ich habe mich getäuscht.«
Er streckte die Hand aus und Jonathan wich zurück. Dann zwang er sich, sitzen zu bleiben. José schob einen seiner Ärmel hoch. Man sah seine Fingerabdrücke noch immer als diffuse blaue Flecken.
»Das tut mir leid«, murmelte José.
Jonathan begriff nicht. »Warum?«, fragte er. »Glaubst du auf einmal nicht mehr, dass ich dein Gewehr genommen habe?«
»Ich … habe es gefunden«, sagte José.
Jonathan sah sich um. Aber er konnte die Mauser nirgends entdecken. Und dann fiel sein Blick auf den Kompass. Der Kurs stimmte nicht mehr. Die Mariposa hatte um fast 180 Grad gedreht.
»Wir … wir segeln in die vollkommen falsche Richtung«, sagte er.
José schüttelte den Kopf. »Nein. Der Kompass ist kaputt. Ich bin gestern Nacht ausgerutscht und mit dem Fuß dagegengekommen. Irgendetwas muss sich verstellt haben.«
Jonathan sah am Segel empor. José hatte ihm den Stander erklärt, den kleinen schwarzen Pfeil auf der Mastspitze, der den Wind anzeigte. »Der Wind kam in den letzten Tagen ständig aus Nordosten«, sagte er. »Und jetzt kommt er auf einmal aus Südwesten?«
»Ja«, sagte José.
Jonathan schüttelte den Kopf. »Ich … ich verstehe ja nichts vom Segeln …«
»Nein«, sagte José und entfernte Carmens Schnauze aus seiner Kaffeetasse. »Aber ich werde es dir beibringen. Wir können keine halben Nächte mehr mit Motor fahren. Wir brauchen das Benzin für Notfälle.« Er warf einen Blick zur Kajüte, als er das sagte, einen merkwürdig wachsamen Blick. Vermutlich lag es daran, dass dort die Benzinkanister lagerten.
Jonathan hatte immer noch ein komisches Gefühl. Aber er war zu erleichtert über Josés Stimmungswandel, um etwas zu sagen. Im Grunde, dachte er, war es egal, wohin sie fuhren. Er wollte nicht zur Isla Maldita, es war José gewesen, der sie unbedingt hatte erreichen wollen. Vielleicht hatte er Angst bekommen. Vielleicht hatte seine Urgroßmutter ihm im Traum zu viel von den toten Piraten erzählt, die dort umgingen. Vielleicht wollte er nur nicht zugeben, dass er umgekehrt war. Nach dem, was Jonathan über die Seekarte wusste, würde der neue Kurs sie zurückführen, an Santiago vorbei diesmal, zur größten der Inseln: Isabela.
Er versuchte sich keine Sorgen zu machen und konzentrierte sich darauf, von José das Segeln zu lernen. Und so verbrachten sie die nächsten Stunden, die nächsten Tage: José erklärte, langsam und ausführlich diesmal, und Jonathan musste alles wiederholen.
Er lernte das Dichtholen und das Auffieren der Segel, er lernte zu wenden und zu halsen. Er lernte, wie man ein Boot in den Wind stellt, sodass er von vorn kam und die Fahrt gestoppt wurde, und wie man es bei starkem Wind mit knatternden Segeln dicht am Wind hielt, um zu viel Krängung zu vermeiden. Er lernte, dass die Krängung die Schräglage des Boots war. Er lernte, dass der Wind von Luv nach Lee wehte und man deshalb beim Pinkeln
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