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Die geheime Reise

Titel: Die geheime Reise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Abedi
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trafen sie Alex. Für einen
Moment sah er Mischa an, als käme er von einem anderen Stern. Wieder fiel Wanja auf, dass sich an Alex etwas verändert hatte, es war etwas Inneres, aber es drückte sich in seiner Haltung aus, die mit jeder Begegnung aufrechter zu werden schien. Und wieder fragte sich Wanja, was die anderen in ihren Bildern erlebten, Alex bei dem Mönch, Natalie bei dem Indianer, von dem sie ihr neulich nachts ein wenig erzählt hatte. Gerne hätte sie mehr darüber erfahren, zumindest von Alex und Natalie. Mit den anderen Jugendlichen hatte sie höchstens ein paar Blicke gewechselt, doch die beiden waren fast wie Freunde geworden. Aber noch war es nicht so weit. Noch steckte Wanja zu tief in ihrer eigenen Geschichte und etwas in ihr schien zu wissen, dass man manche Geschichten erst für sich alleine abschließen muss, bevor man sie mit anderen teilt.
»Na?« Alex trat näher, betrachtete Mischa aber immer noch mit unsicheren Blicken und schien sich nicht zu trauen ihn direkt anzusprechen. Stattdessen wandte er sich an Wanja. »Ist er … wieder ganz okay?«
Wanja nickte. Mischa fluchte und im nächsten Moment lag er auf dem Hintern. Er war auf einer Eispfütze ausgerutscht. Alex reichte ihm mit einem erleichterten Grinsen die Hand und zog ihn hoch. »Irgendwann treffen wir uns mal, ja? Ich meine … außerhalb von hier, okay?« Mischa rieb sich den Hosenboden seiner abgewetzten Jeans. »Geht klar.«
Als sie in die Eingangshalle des Museums traten, war der Engel verschwunden und an der Stelle, an der er gestanden hatte, hing eine blaue Strickleiter von der hohen Decke herab, um die herum auf dem Boden ein Kreis aus weißen Kieselsteinen lag.
»Der Engel ist nach Hause geklettert«, sagte eine Stimme hinter Wanja. Sie drehte sich um. Natalie stand hinter ihr.
»Alles klar? Ich hab die ganze Zeit an euch gedacht.« Wanja lächelte sie an. »Mit Mischa ist alles gut gegangen. Aber sonst …« Sie biss sich auf die Lippen. Die Angst um Taro saß so tief, dass es wehtat. »Ich hoffe nur, dass du Recht hattest, neulich nachts. Dass wirklich alles
wieder gut wird.«
Im großen Saal waren sie die Letzten. Die Jugendlichen standen in kleinen Grüppchen zusammen, einige beäugten Wanja und Mischa aus den Augenwinkeln. Andere erzählten, kicherten oder schwiegen. Das Mädchen mit den grünen Haaren raunte dem dicken jungen
etwas zu, dann grinsten sie beide in Alex’ Richtung. 
    »Wusstet ihr, dass die Geschwister sind?«, flüsterte Alex Wanja und Natalie zu.
»Wer?«
»Die Grünhaarige und der Rollmops.«
»Geschwister? Die?« Natalie zog die Augenbrauen hoch. »Kennst du die oder was?«
Alex grinste. »Ich hab sie neulich beim Arzt getroffen. Zusammen mit ihrer Mutter. Wir haben uns im Wartezimmer gegenübergesessen und irgendwann sind die drei als Familie Brandmeier aufgerufen worden.«
Jetzt musste auch Natalie grinsen. »Komische Geschwister. Weißt du, welche Bilder sie haben?« 
    »Der Dicke ist beim Schafhirten. Die Grünhaarige weiß ich nicht.«
»Sie hat den Ritter«, murmelte Mischa.
Dann trat die alte Frau auf die Bühne, und als sie noch einmal an alle die Warnung richtete, beim letzten Gong zurück zu sein, war es für einen Moment totenstill.
    Im Bild war Tag. Aber es war ein Tag ohne Farben. Wanjas Kostüm lag dunkelgrau vor dem Rahmen in der Manege und es war ein seltsames Gefühl, es dort liegen zu sehen, ohne es wirklich ausgezogen zu haben.
    Grau war der Vorhang. Grau waren Himmel und Erde hinter dem Zelt. Es gab keine Farben mehr.
Es gab nur noch den Vogel und sein dunkles Königreich. Taros Wohnwagen war der Thron. Davor standen die anderen Artisten stumm beieinander, noch hatten sie Wanja und Mischa nicht bemerkt. Der Vogel hockte auf dem Dach. Pechschwarz und menschengroß. Wie zur Begrüßung hob er die Flügel. Ganz ruhig, ganz langsam, ohne jegliches Geräusch.
Verzweifelt kniff Wanja die Augen zu, aber es half nichts, der Vogel war auch in ihr, hob auch dort die schwarzen Schwingen, hoch und höher. Außen war innen und innen war außen, bis die Flügel wieder herabsanken und Wanja aus ihrer stummen Panik erlösten. Mischa neben ihr zitterte. Aber nicht vor Angst. Wieder war es die Wut, die in seinem Körper tobte, und Wanja merkte, dass er sich nur mühsam beherrschte. Sie dagegen fühlte sich wie gelähmt und trat mit schweren Schritten auf die Artisten zu. Perun drehte sich zu ihr um.
»Was ist passiert?«, presste sie hervor.
»Wir haben

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