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Die geheime Reise

Titel: Die geheime Reise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Abedi
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besorgt hatte, spülte sie im Klo hinunter und studierte, nachdem die anderen verschwunden waren, die Karte, die sie sich unten aus der Halle genommen hatte. Mischa hatte Recht. Es waren ungefähr fünf Kilometer zum Bahnhof und im Grunde brauchte Wanja nur der Landstraße zu folgen. Trotzdem, fünf Kilometer bei Dunkelheit waren kein Katzensprung. Ob es hier irgendwo ein Fahrrad gab? Wanja streifte um das Haus herum, schaute in die Ställe, die Scheune. Da, an der Seite der Scheune lehnte tatsächlich ein Fahrrad. Ein klappriges Herrenrad. Wanja atmete erleichtert aus. Es war nicht abgeschlossen und sicherlich würde es niemand merken, wenn sie es über Nacht auslieh.
Tinas Gesicht glühte, als sie von ihrem Ausflug zurückkehrte. Die anderen waren noch nicht wieder da. »Na, Wanja, geht’s dir besser?«
Wanja zog sich die Decke bis ans Kinn. »Geht so. Und wie war’s bei euch?«
»Oh Mensch, es war einfach Spitzenklasse. Ich hätte ewig so weiterreiten können. Stell dir vor, ich hab sogar ein Wettrennen gemacht, mit Thorsten. Der ist richtig gut, aber gewonnen hab ich.«
»Und der Schönhaupt?«
Tina setzte sich kichernd zu ihr ans Bett. »Das glaubst du nicht. Der hat sogar seine Stute mit Fräulein angeredet. Aber mitgeritten ist er. Er hat uns sogar noch eine extra Stunde spendiert. Ach Wanja …« In Tinas Augen schimmerten plötzlich die Tränen. »Ich will nicht umziehen.«
Wanja strich ihr mitfühlend über den Arm. »Vielleicht wird es ja ganz gut«, versuchte sie ihre Klassenkameradin zu trösten und setzte mit Nachdruck hinzu: »Es wird bestimmt gut, Tina, wenn du dich erst mal eingewöhnt hast. Was meinst du, in so kleinen Orten gibt es doch bestimmt viel mehr Möglichkeiten, zu reiten.«
Die Zimmertür öffnete sich. Britta und Sue kamen herein. Seit der Blonde Wanja im Museum angesprochen hatte, war sie Luft für Britta, aber Wanja gab sich keine Mühe, das Schweigen zu brechen.
»Mensch, willst du denn echt nicht mit?«, fragte Sue, als sich die drei nach dem Abendessen fertig gemacht hatten. Britta hatte sich nach dreimaligem Umziehen für ein pinkfarbenes Cordkleid entschieden. Sue trug ihr American-Beauty-T-Shirt zu einem roten Jeansrock und hatte Tina eine grüne Bluse mit Nietenknöpfen ausgeliehen.
Wanja schüttelte den Kopf. »Nee, danke. Mein Kopf ist immer noch nicht besser. Bitte sagt Frau Gordon, sie soll auch nicht mehr nach mir schauen, ich versuche einfach zu schlafen. Wenn was ist, melde ich mich, ansonsten seid bitte leise, wenn ihr kommt, und tut so, als ob ich gar nicht da wäre, okay?«
Britta wandte sich schnaubend ab, aber Tina drehte sich noch einmal zu Wanja um. »Schade um den letzten Abend, Wanja. Ich wünsch dir gute Besserung!«
Dann war Wanja endlich allein. Es war fünf nach acht. In einer knappen Dreiviertelstunde musste sie im Zug sitzen.
E IN U NGLÜCK KOMMT SELTEN ALLEIN
    O h Scheiße, verdammt!« Wanja ließ sich in die Hocke fallen und schlug die Hände vors Gesicht. Der Hinterreifen des Herrenrades war platt wie eine Flunder. Gestern war die Luft noch drin gewesen. Eine Pumpe, sie brauchte eine Pumpe, und zwar sofort! Fieberhaft suchte Wanja die Scheune ab, aber im Halbdunkel war kaum etwas zu erkennen und die Dinge, auf die sie stieß, waren nichts als Mistgabeln, Heckenscheren, Kehrbleche, Besenstiele. Aus dem Schullandheim tönten die Bässe, die Disko schien bereits in vollem Gange zu sein. Wanja war so mit Suchen beschäftigt, dass sie gar nicht merkte, wie sich von hinten jemand näherte. »Kann ich dir helfen?«
    Wanja wirbelte herum. Der Blonde stand vor der Scheunentür, breitbeinig, die eine Hand lässig in der Jeanshose vergraben. Mit der anderen Hand führte er die Zigarette zum Mund. Er hielt sie zwischen Daumen und Zeigefinger, und während er einen tiefen Zug tat, grinste er Wanja an.
    »Was machst du denn hier?«, zischte Wanja. 
    Der Blonde stieß den Rauch aus. Eine große Nebelschwade, ein Gemisch aus Nikotin und Kälterauch stieg aus seinem Mund. »Ich rauch mir eine. Und du? Deine aufgebrezelte Freundin hat mir erzählt, du hast die Kotzeritis. So siehst du aber nicht aus.«
    »Ich …« Es war zum Wahnsinnigwerden. Was sollte sie jetzt sagen? Es war bestimmt schon zehn nach acht, und wenn Wanja in den nächsten Minuten nicht von hier wegkam, würde sie den Zug verpassen.
    »Ich muss hier weg«, platzte es aus ihr heraus. »Ich kann dir das jetzt nicht erklären, aber ich muss unbedingt zum Bahnhof. Das Rad hat einen Platten und hier ist

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