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Die geheime Sammlung

Die geheime Sammlung

Titel: Die geheime Sammlung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polly Shulman
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ist verschlossen.« Ich rüttelte an der Tür, um es ihm zu zeigen. Mein Mantel schlug dagegen, und die Knöpfe gaben ein schabendes Geräusch von sich.
    Zu meiner Überraschung drehte sich der Türknauf. Aaron schob die Tür auf und schaltete das Licht ein. Ein kalter Wind wehte uns vom schräggestellten Fenster ins Gesicht und blies Papiere von den Schreibtischen. Ich schloss das Fenster. Sollte ich die Papiere auch aufheben?
    Aaron setzte sich hin.
    »Was tust du da? Das ist Mr.Mauskopfs Stuhl!«
    »Wer ist Mr.Mauskopf?«
    »Mein Gemeinschaftskundelehrer. Er wird es nicht mögen, wenn du hier sitzt.«
    »Das ist okay. Er ist schließlich nicht
mein
Gemeinschaftskundelehrer.«
    Langsam wurde mir mulmig zumute. »Mensch, Aaron, du bringst mich in Schwierigkeiten. Lass uns hier verschwinden, bevor jemand auftaucht.«
    »Wer denn zum Beispiel? Anjali und Marc vielleicht? Sag mal, Elizabeth?« Aarons Stimme veränderte sich, der neckische Tonfall verschwand. »Was macht dein Gemeinschaftskundelehrer mit der
Schwarzmalerei?
«
    »Womit?«
    Er deutete auf etwas. Über dem Schreibtisch von Mr.Mauskopf hing das trübe, sich verändernde Gemälde aus dem Grimm-Sammelsurium.
    »Ich habe keine Ahnung. Bist du dir sicher, dass es das ist?«
    Aaron drehte sich wieder zum Bild um und sagte:
»Nun: Lass uns nicht im Dunkeln stehen – wir wollen Marc und Anji sehen.«
    Die dunklen, unheimlichen Formen im Gemälde begannen zu verschwimmen wie Lava aus einem Alptraum.
    Das Bild zeigte Anjali und Marc, die in einem Gang in der Fisher standen. Sie waren gerade dabei, sich zärtlich zu küssen.
    Aaron starrte sie an, und sein Gesicht hatte eine ungesunde grüne Farbe. Der Kuss schien nicht enden zu wollen. Genau wie Aarons Starren.
    »Hör auf, Aaron!«
    Er schien mich nicht zu hören. Er starrte weiterhin auf das Bild, mit einem Gesichtsausdruck, als würde jemand dabei zusehen, wie sein Haus abbrennt. Im Gemälde schöpften Marc und Anjali Atem, und er begann, ihren Nacken zu küssen.
    »Schau dir das nicht an!« Ich riss an seiner Schulter, aber er ignorierte mich, also bedeckte ich seine Augen mit meinen Händen und schrie das Bild an:
»Nicht den Kuss! Jetzt ist Schluss!«
    Es gehorchte langsam – so langsam, dass es schien, als wolle es mich reizen. Marcs Lippen verschmolzen mit Anjalis Hals; ihr Haar zerfloss in seinen Händen.
    Aaron packte meine Handgelenke so fest, als wolle er sie fortreißen, aber stattdessen hielt er sie sich weiter vors Gesicht. Ich spürte seine Augen unter dünnen Lidern in meinen Händen rollen, seine Wimpern kitzelten meine Handflächen, es war verstörend und peinlich, fast so wie die amorphen Formen des Gemäldes. Seine Hände fühlten sich heiß an meinen Handgelenken an. Ich glaubte zu spüren, wie sein Puls raste, aber vielleicht war es auch meiner.
    Er ließ meine Hände los und zeigte auf das Bild. »Was macht dein Gemeinschaftskundelehrer damit?«
    »Ich habe keine Ahnung. Er muss es sich aus dem Sammelsurium geliehen haben. Ich bin mir sicher, er hat einen guten Grund dafür. Er ist derjenige, der mir die Stelle im Repositorium besorgt hat. Er ist ein Freund von Dr.Rust.«
    »Oh, ist er auch derjenige, der Marc eine Stelle im Repositorium besorgt hat? Vielleicht ist er der eigentliche Dieb und Marc arbeitet nur für ihn.«
    Ich verlor erneut die Geduld. »Du weißt nicht, was du da sagst. Schau mal, es tut mir leid. Es tut mir leid, dass Anjali nicht dich mag, sondern Marc. Es tut mir leid, dass er groß, attraktiv, beliebt und ein phantastischer Sportler ist, und es tut mir leid, dass du es nicht bist. Aber wieso musst du dich deswegen wie ein Idiot benehmen? Es ist nicht so, dass ich besonders schön oder beliebt wäre, aber ich lasse das doch auch nicht an Anjali aus, oder? Ich bin nett zu anderen Leuten. Wieso kannst du nicht einfach nur nett sein?«
    »Nett!«, sagte er. Bei ihm klang es wie ein Fluch. »Du, nett – nicht hübsch, aber
nett?
Du übersiehst eine wichtige Sache an dir. Glaubst du wirklich, dass es nett ist, meine Zuneigung und mein Vertrauen zu gewinnen, immer und immer wieder, nur damit sich anschließend herausstellt, dass du gelogen und diesen … diesen Lügner gedeckt hast? Glaubst du, es ist nett, Doc Rusts Vertrauen zu missbrauchen und Leuten dabei zu helfen, den einzigen Ort, den wir kennen, der wahre Magie beherbergt, zu zerstören? Steckt dein Lehrer dahinter? Arbeitest du für ihn?«
    »Ich arbeite für niemanden!«, protestierte ich. »Ich will den Dieb

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