Die geheime Stunde
einem Teamkameraden aus seiner alten College-Fußballmannschaft; dafür brauchte man viel Rindfleisch, ein wenig Gemüse und Bier. Wenn er das Gulasch für die Kinder zubereitete, halbierte er die Biermenge. Es war ihr Leibgericht.
Als es zu dämmern begann, verspürte er, wenn auch nicht gerade Besorgnis, so doch eine leichte Anspannung. Die Sonne war noch nicht untergegangen, aber das fahle Novemberlicht hatte eine beunruhigende Wirkung. Wo konnten Maggie und Teddy stecken? Während er am Küchenfenster stand, hielt er immer wieder Ausschau nach ihnen. Gerade kam ein Wagen die Straße entlang – ein Jeep –, der langsam in die Auffahrt einbog. Teddy stieg aus, und John verrenkte sich den Hals, um einen Blick auf den Fahrer zu erhaschen; es war Hunt Jenkins, der Fußballtrainer.
Die Eingangstür an der Seite des Hauses fiel mit Getöse ins Schloss, dann ließ Teddy seine Büchertasche zu Boden fallen und trat in die Küche.
»Dad!« Er schien überrascht, seinen Vater so früh anzutreffen.
»Hallo, Ted.«
»Wieso bist du schon zu Hause? Ist doch nicht einmal Zeit fürs Abendessen!«
»Hast du zur Kenntnis genommen, wer heute das Abendessen zubereitet?«
»Klar. Gibt es Rindergulasch?«
»Ja.«
»Wo ist Maggie?«
»Sie hat eine Nachricht hinterlassen, dass sie eine Fahrradtour unternehmen wollte.« John machte sich auch jetzt noch keine Sorgen, aber seine Unruhe wuchs. Teddys Frage bewog ihn, abermals aus dem Fenster zu schauen, doch dann gelangte er zu dem Schluss, dass er langsam Wahnvorstellungen entwickelte. »Mr. Jenkins hat dich nach Hause gefahren?«
Teddy nickte, öffnete den Kühlschrank. Er holte die Milchflasche heraus, schraubte den Deckel ab und machte Anstalten, aus der Flasche zu trinken, doch dann begegnete er dem Blick seines Vaters und besann sich eines Besseren. »Ich war im Sportclub«, sagte er, während er sich ein Glas Milch einschenkte. »Hab mich für ein Wintertraining in der Hallenfußball-Liga angemeldet. Wird von Mr. Jenkins veranstaltet, gemeinsam mit Mr. Phelan, dem Trainer von Riverdale, und einem Freund der beiden, Mr. Davis. Es war schon spät, und er musste sowieso hier vorbei, deshalb hat er mich mitgenommen.« Das Glas auf halbem Weg zum Mund, blickte er seinen Vater an. »Ist doch in Ordnung, wenn ich mitmache, oder?«
»Klar. Das ist eine gute Sache.«
»Vielleicht spiele ich irgendwann so gut Fußball, dass mich ein College in seiner Mannschaft haben möchte und mir ein Stipendium gewährt.«
»Das wäre fantastisch.«
»Mr. Jenkins meint, ich sei auf dem besten Weg. Er findet, dass es gut wäre, wenn ich mit Gewichten trainiere. Muskelkraft aufbaue.«
»Wirklich?« John rührte das Gulasch um.
Teddy nickte, trank seine Milch in einem Zug aus. »Er hat gesagt, dass er mich persönlich trainiert. Er hat Gewichte und alles, was man sonst noch braucht in dem Sportclub, zu dem er gehört. Mr. Phelan und Mr. Davis sind auch dort. Ist garantiert ein Trainingszentrum für Sportkanonen.«
»Was ist gegen die Sportmöglichkeiten einzuwenden, die von der Schule angeboten werden?«
»Nichts. Die sind ganz okay. Ich dachte nur, dass es mir bei dem Stipendium helfen würde, wenn ich mit ihnen trainiere …«
John spießte einen Rindfleischwürfel mit der Gabel auf, probierte. Sein Magen verkrampfte sich. Hatten zwei erwachsene Männer nichts Besseres zu tun, als mit einem Jungen von der Highschool ein Gewichtstraining zu absolvieren?
»Verstehst du, was ich meine, Dad? Ich denke, es kostet nicht viel, aber ich könnte mich erkundigen.«
Das Gulasch köchelte vor sich hin, das Fleisch war gar. John atmete tief aus. Seine Arbeit begann offenbar auf sein Privatleben abzufärben. Zu viel Zeit, die er mit Männern wie Merrill und Ärzten wie Beckwith verbrachte, die den Verstand eines Menschen mit einer schweren Psychose zu erklären versuchten. Wenn der Fußballtrainer anbot, Teddy beim Training mit den Gewichten unter seine Fittiche zu nehmen, und John dahinter ein verdecktes Motiv witterte, war es höchste Zeit, sich zu fragen, wie verdreht sein eigener Verstand sein mochte.
»Natürlich, Ted. Mach das. Hauptsache, du wirst nicht wie The Rock, dieser Wrestler mit der hohlen Birne.«
»Keine Bange, Dad – ich habe nicht vor, mich mit Steroiden voll zu pumpen und dir ein Ding zu verpassen!«
Sie lachten. Das Telefon läutete; als John Sally Carrolls Nummer auf der Anzeige sah, zögerte er. Vermutlich war es Bert, der Teddy sprechen wollte. Doch da er
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