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Die geheime Stunde

Die geheime Stunde

Titel: Die geheime Stunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luanne Rice
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eine Mischung aus Wut und Kummer.
    »Daddy.« Maggie brach in Tränen aus. Er dachte, der Hausarrest mache ihr zu schaffen, aber das war nicht der Fall. »Ich will nicht, dass du böse auf mich bist … ich will dich nicht enttäuschen … bitte, gib mir noch eine Chance. Es tut mir Leid!«
    »Ich kann böse auf dich sein und dich trotzdem lieb haben.« John drückte seine Tochter an sich. »Ich liebe dich, Mags. Ich möchte verhindern, dass dir etwas passiert.«
    »Tut es nicht«, schluchzte sie und berührte die Fransen des weißen Schals, den Kate ihr geschenkt hatte. »Ich bin mutig – ich kann auf mich aufpassen!«
    »Ich weiß.« Johns Finger streiften den Schal. »Aber du hast trotzdem Hausarrest.«
    Maggie schien noch etwas sagen zu wollen, doch dann drehte sie sich wortlos um und lief die Treppe hinauf in ihr Zimmer. Draußen war es inzwischen stockdunkel, und John hoffte, dass sie daran dachte, die Vorhänge zu schließen, wenn sie das Licht einschaltete.
    Er stand reglos da, das Herz schlug ihm bis zum Hals. Die Erinnerung, wie er mit Kate auf dem Parkplatz gestanden hatte, tauchte wieder auf. Sie zu küssen war ihm völlig natürlich erschienen. Als wären sie die beiden Hälften eines Ganzen, vom Schicksal zusammengeführt für mehr als einen Augenblick in Zeit und Raum. Er stand in einem Haus, das nicht ihm gehörte, mit zwei Kindern, die unbedingt nach Hause wollten, und er schloss die Augen und dachte an Kate.
     
    Kate war in ihr Büro gefahren, um ein paar Sachen zu holen; nach dem, was mit Willas Karte passiert war, nahm sie ihre Post noch gründlicher in Augenschein. Obwohl ihre Assistentin versprochen hatte, alles weiterzuleiten, was an sie adressiert war, gleich ob es wichtig aussah oder nicht, hatte Kate das Bedürfnis, sich hin und wieder persönlich davon zu überzeugen. Ihr Büro war verwaist, wartete auf ihre Rückkehr. Zwar hatte sie unbegrenzt Urlaub genommen, aber der kurze Abstecher reizte sie, die Arbeit wieder aufzunehmen.
    Sie saß in ihrem Büro und betrachtete all die Berichte und Anfragen, die während ihrer Abwesenheit eingetroffen waren. Artikel über Schalentier-Quoten von verschiedenen Fachkommissionen an der gesamten Ostküste, die Bitte an die Akademie von zwei Städten in Maryland, eine Studie zur Ermittlung des Verschmutzungsgrades durchzuführen. Ihre Arbeit war für sie immer von zentraler Bedeutung gewesen, aber sie hatte sich seit Monaten nicht mehr richtig darauf konzentrieren können.
    Sie wusste, dass sich daran nichts geändert hatte – noch nicht. Als sie den Stapel mit der Post durchging und sich vergewisserte, dass nichts von Willa dabei war, wurde ihre Aufmerksamkeit plötzlich von einem Poststempel gefesselt: SILVER BAY CT . Obwohl sie ungeheuer gespannt war, beschloss sie, zu warten und den Brief erst zu Hause zu lesen. Sie verabschiedete sich von den anderen Mitarbeitern und nahm den Fahrstuhl nach unten.
    Die National Academy of Sciences war in einem weitläufigen modernen Gebäude an der Ecke der einundzwanzigsten Straße und der Pennsylvania Avenue untergebracht. Als Kate ins Freie trat, zog sie ihren grünen Mantel enger um sich. An manchen Abenden genoss sie es, zu Fuß nach Hause zu gehen: am Weißen Haus vorbei bis zur Constitution Avenue und den Kirschbäumen mit den kahlen Ästen, die Mall entlang mit dem riesigen, einladend wirkenden Smithsonian-Komplex – Touristen schlenderten bei jedem Wetter durch die Straßen, die Kuppel des Capitols war angestrahlt und beleuchtete ihren Heimweg.
    Doch heute Abend hatte Kate das Bedürfnis, schnellstmöglich in die Abgeschiedenheit ihrer eigenen vier Wände zu gelangen und den Brief zu lesen, deshalb nahm sie ein Taxi.
    Ihr Stadthaus befand sich auf dem Capitol Hill, unmittelbar neben der Massachusetts Avenue. Seit ihrem Abstecher nach Fairhaven war ihr sogar der Straßenname ein Dorn im Auge – es machte sie krank, das Schild auch nur anzuschauen. Der Taxifahrer hielt vor dem Haus, und sie lief die hohen Stufen hinauf, sperrte die schwere schwarze Eingangstür auf und betrat das anheimelnde Backsteingebäude.
    Bonnie war überglücklich, dass sie wieder da war. Kate stellte ihre Umhängetasche ab, dann ging sie durch sämtliche Räume und schaltete das Licht ein. Bei ihrem Auszug aus dem mit Andrew bewohnten Haus hatte sie nichts mitgenommen, was an ihre gemeinsame Zeit erinnerte, und ihr neues Domizil nach ihrem eigenen Geschmack eingerichtet: Möbel aus Second-hand-Läden an der East Shore, der

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