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Die geheime Stunde

Die geheime Stunde

Titel: Die geheime Stunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luanne Rice
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unangemessenen Personen oder Verhaltensweisen verknüpft ist, muss er befriedigt werden. Und so verletzen diese Menschen andere und schaden sich selbst, werden gefasst und landen hier. Meine Arbeit richtet sich an der Verhaltenspsychologie aus. Die Patienten sollen lernen, ihre verhängnisvollen, triebhaften Verhaltensweisen automatisch mit negativen Folgen in Verbindung zu bringen – wie dem Gestank von totem, verwesendem, verrottendem Fisch.«
    »Hmmm, wie beim Pawlow’schen Hund«, sagte John und erinnerte sich an den Psychologiekurs an der Universität, und wie Iwan Pawlow seine Hunde darauf konditioniert hatte, Speichelsekret zu bilden und Hunger zu entwickeln, sobald zur Fütterungszeit ein Glöckchen geläutet wurde – ihnen beigebracht hatte, etwas Positives mit diesem Reiz in Verbindung zu bringen. Die Konzentration auf sein akademisches Wissen bot John die Möglichkeit, die eigenen Konflikte zu verdrängen.
    »Genau«, sagte Dr. Beckwith. »Die Gesellschaft will Rache. Sie fordert, dass solche Sexualstraftäter zu langen Haftstrafen verurteilt und anschließend, im Einklang mit Megans Gesetz, durch Registrierung und ständige Meldepflicht bei der örtlichen Polizei auf Schritt und Tritt überwacht werden. Alles gut und schön, aber damit ist das Problem nicht gelöst. Im Strafvollzug haben sie jahrelang Zeit, die abartigen Fantasien, deretwegen sie überhaupt erst hinter Gittern gelandet sind, weiterzuentwickeln. Ihr Mandant ist das beste Beispiel.«
    »In welcher Hinsicht?«
    »Lassen Sie uns in mein Büro gehen, dort können wir ungestört über den Fall reden«, schlug Dr. Beckwith vor und brachte ihn zu einer weitläufigen Bürosuite, die überraschenderweise nach Westen hinausging, auf die Granit- und Backsteingebäude der Stadt – statt auf die malerische Bucht, eine Aussicht, die Millionen kostete. Eine junge Frau mit kurzen braunen Haaren und in Studentenkluft saß am Schreibtisch im Vorzimmer und arbeitete am Computer.
    Beckwith ließ John den Vortritt und bedeutete ihm mit einer Geste, in dem Sessel gegenüber dem breiten Schreibtisch Platz zu nehmen. Er schob ihm mehrere vorgedruckte Einverständniserklärungen zu, und John überflog sie, wobei ihm auffiel, dass Greg Merrill Dr. Beckwith von seiner ärztlichen Schweigepflicht entbunden hatte.
    »Wir wissen beide, dass Merrill genau dort ist, wo er hingehört«, sagte Dr. Beckwith. »Hinter Gittern, weggesperrt für den Rest seines Lebens.«
    »Solange es noch währen mag.«
    »Genau. Er entspricht den Kriterien, die das Gesetz in diesem Staat für die Todesstrafe festgelegt hat: Er ist gewalttätig und Wiederholungstäter. Die Frage lautet also: Leidet er an einer mentalen Störung, die ihn dazu treibt, seine Gräueltaten zu begehen? Davon sind wir beide gleichermaßen überzeugt, denke ich.«
    »Der Staat aber nicht; er lässt die Möglichkeit der verminderten Schuldfähigkeit nicht gelten. Als der Staatsanwalt bei der Urteilsverkündung sein Schlussplädoyer hielt, erklärte er: ›Sie haben viel über extreme emotionale Störungen gehört, aber das ist nichts weiter als eine willkommene Entschuldigung für einen Sadisten, dem es gefällt, minderjährige Mädchen umzubringen.‹«
    »Ich weiß, ich habe die Gerichtsprotokolle gelesen.«
    »Ich möchte Sie nur darauf hinweisen, dass ich ebenfalls eine Tochter habe. Aus der Warte des Vaters wäre es mir lieber, Merrill bleibt, wo er ist – im Todestrakt. Aber als sein Anwalt …«
    »Sie haben gut daran getan, zu mir zu kommen.« Beckwith beugte sich vor, die Hände auf seinem Schreibtisch gefaltet. Er war ein eleganter Mann, mit tadellos frisierten weißen Haaren und aristokratischen Gesichtszügen.
    John schwieg, wartete darauf, dass er fortfuhr.
    »Greg Merrill ist in vieler Hinsicht ein typischer Serienmörder. Überdurchschnittlich intelligent, angenehmes Erscheinungsbild, tadellose Umgangsformen – was ihm den Zugang zu seinen Opfern erleichterte.«
    John, innerlich aufgewühlt, hörte stumm zu, dachte an Willa Harris.
    »Wie es in seinem Inneren aussieht, steht auf einem anderen Blatt. Ihr Mandant bewegt sich auf der Skala der Psychosen außerhalb jeder Norm. Er kann seine Fantasien nicht unterdrücken. Sie verfolgen ihn fortwährend, selbst heute noch, trotz der Medikamente. Er entspricht sämtlichen DSM – IV -Kriterien für die Diagnose der Paraphilie, der sexuellen Perversion, und ein paar mehr, die nicht im Handbuch stehen. Er vergewaltigt und tötet seine Opfer

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