Die geheime Stunde
schwierig.«
»Weil du keine Forderungen geltend gemacht hast. Obwohl wir lange verheiratet waren. Dir hätte die Hälfte aller Vermögenswerte zugestanden.«
»Ich wollte dein Geld nicht.«
»Und mich auch nicht«, sagte er, ohne sie auch nur eine Minute aus den Augen zu lassen. »Ich hätte versucht, mich zu ändern.«
»Wenn man jemanden liebt, sollte man ihn so nehmen, wie er ist, und nicht ändern wollen. Meine Mutter hat das immer gesagt. Aber dein Verhalten war für mich nicht akzeptabel.«
»Du liebst mich also, trotz alledem?«
»Ich habe dich geliebt, Andrew.«
»Ich hätte mich ändern können …«
Kate wandte den Blick ab. Sie glaubte nicht daran. Ihre Auffassung von der Ehe hatte sich grundlegend von seiner unterschieden. Ein Mann und eine Frau, die sich ewige Liebe und Treue schworen. Sie konnte nicht begreifen, wie jemand auf die Idee kam, den geliebten Menschen zu betrügen, auch nur ein einziges Mal – ganz zu schweigen davon, mit einer ganzen Reihe von Frauen. Die eigene Schwester eingeschlossen.
Sie blickte sich im Raum um. Er war schön, mit Blick auf den Potomac. Jede Brücke war beleuchtet, Lee Mansion auf der anderen Seite des Flusses in Arlington angestrahlt. Das elegante Ledersofa, die weißen Sessel und Ottomanen und der Teppich mit den sand- und goldfarbenen Karos waren noch da. Die holländischen Landschaftsgemälde wurden mit einem Spotlight von oben angestrahlt.
»Du bist also gekommen, um mir noch mehr Vorhaltungen zu machen.«
»Nein, Andrew. Das ist nicht der Grund.«
Er bat sie, Platz zu nehmen, und sie kam der Aufforderung nach. Ihr Blick schweifte zum Klavier hinüber. Erst jetzt spürte sie, zum ersten Mal, eine Gefühlsregung.
Die Zeichnung, die Willa von Kate in der Kanzel des Flugzeugs gemacht hatte, hing noch am alten Platz. Es war ein gelungenes Porträt, mit Einzelheiten, die Kate vorher nie bei sich selbst wahrgenommen hatte: Es zeigte einen verhaltenen Humor, die Wärme in ihren Augen, eine beinahe kindliche Konzentration – die Lippen waren leicht geöffnet, der weiße Schal wehte hinter ihr her, während sie das Flugzeug flog. Als sie vor beinahe sieben Monaten aus der gemeinsamen Wohnung ausgezogen war, hatte sie das Bild bewusst nicht mitgenommen, vor lauter Wut auf Willa.
»Das Bild hängt ja immer noch da«, sagte sie.
»Eine wundervolle Arbeit.«
»Ich dachte, du hättest es inzwischen abgenommen …«
»Ich liebe schöne Dinge.«
Kates Magen verkrampfte sich. Er hatte Kate geliebt und sich danach an ihre jüngere Schwester herangemacht. Sie riss ihren Blick los, atmete schwer.
Schöne Dinge …
Der Künstler und sein Modell.
»Du kannst es haben. Wenn du möchtest«, sagte Andrew.
»Danke. Ich nehme es mit, wenn ich gehe. Aber zuerst … ich wollte dich fragen …«
»Was denn noch, Kate? Ich habe dir alles gebeichtet. Wozu soll es gut sein, die Vergangenheit ständig wieder aufzuwärmen? Läuft das bei anderen Paaren auch so? Einer der Partner begeht einen idiotischen Fehler, wird zur Scheidung gezwungen und muss für den Rest seines Lebens Rede und Antwort stehen? Wie viele unserer Freunde haben eine Dummheit mit einer Senatspraktikantin oder irgendeiner Frau begangen, die sie in einer Bar kennen gelernt haben? Meinst du, dass sie immer noch dafür büßen müssen?«
»Willa war keine Senatspraktikantin.« Kate schlug das Herz bis zum Hals. »Sie war meine Schwester. Sie war zweiundzwanzig. Und sie wird vermisst.«
Andrew atmete tief aus. Man sah ihm die Auswirkung der Zeitverschiebung mehr und mehr an. Seine Augen wirkten alt und müde, und Kate bemerkte, dass er mehr und tiefere Falten um die Augen hatte, als ihr anfangs aufgefallen war.
»Sie ist abgetaucht, sage ich dir. Erinnerst du dich, dass wir sie immer ›Irrlicht‹ genannt haben? Sie ist Malerin … sieht das Leben locker, wie Künstler nun mal so sind … unkonventionell, exzentrisch …«
»War es das, was dir an ihr gefallen hat? Wie locker sie das Leben sieht im Vergleich zu mir?«
»Fang nicht wieder damit an, Kate! Du bist Biologin und weißt, wie sehr ich dich respektiere. Es war nichts weiter als ein Seitensprung. Eine gottverdammte, dämliche Midlife-Crisis, ein idiotischer Ausrutscher. So etwas passiert ständig in Washington, wo die Versuchung an jeder Ecke lauert. Es war ja nicht das erste Mal, dass ich Dummheiten gemacht hatte, aber das hatten wir immer gemeinsam durchgestanden. Mir war klar, dass du Verdacht geschöpft hattest – ich hasste mich
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