Die geheime Stunde
gutes Wort für sie einzulegen, damit er ihre Gesetzesentwürfe einbringt. Das gehört mit zum Spiel!«
»Liebe ist kein Spiel …«
»Ich liebe nicht sie – sondern
dich.«
Kate hatte seine Arme gespürt, die sie umfingen, hatte ihm glauben wollen. Weil sie ihn liebte, weil Vertrauen besser war als Zweifel. So war sie in Chincoteague aufgewachsen: mit einer positiven, vertrauensvollen Weltanschauung, an das Gute im Menschen glaubend – und sie wollte glauben, dass ihre Ehe, die seit sieben Jahren bestand, intakt war.
Doch im Laufe der Zeit war es ihr immer schwerer gefallen, ihm seine Lügengeschichten abzunehmen. Kate bekam Magenschmerzen, sobald er den Mund aufmachte – als sei ihr Körper bereit, die Wahrheit noch vor ihrem Verstand zu erkennen. Eine junge Frau aus dem Beraterstab rief häufig zu Hause an, und sie musste gegen den Drang ankämpfen, den Hörer durch das Panoramafenster in den Potomac River zu werfen. Und dann kam der Tag, als sie Parfüm auf seinem Hemd roch und nicht einmal den Gedanken ertragen konnte, ihn danach zu fragen.
Als sie nun den Watergate-Komplex betrat, atmete sie tief durch und begrüßte Frank, den Portier, mit einem Hallo. Er zögerte, bevor er sich erkundigte, wenn sie zu sprechen wünschte. Sie wusste, dass es ihm unangenehm sein musste, sie aufzuhalten und wie jeden anderen Besucher zu behandeln, nachdem er sie viele Jahre als Bewohnerin des Hauses empfangen hatte.
»Ich möchte zu Mr. Wells. Keine Sorge, Frank«, sagte sie und lächelte betrübt. »Ich wohne hier nicht mehr und weiß, dass Sie anfragen müssen.«
»Ich wünschte, Sie wären noch hier, Miss Harris.« Er schüttelte den Kopf. »Wir vermissen Sie. Wir alle.«
»Danke, Frank.« Ihr Lächeln erstarb; seine Worte bedeuteten ihr viel, da sie wusste, dass sie aufrichtig gemeint waren.
Andrew hatte allem Anschein nach grünes Licht gegeben, denn Frank brachte sie zum Fahrstuhl. Sie hatte nicht gewusst, was sie erwartete, und absichtlich darauf verzichtet, ihre Ankunft telefonisch anzukündigen, um keine Abfuhr zu riskieren. Als der Fahrstuhl im elften Stock hielt, ging sie den Flur entlang auf die geöffnete Tür zu.
Andrew stand unmittelbar hinter der Schwelle, in Jeans und einem blauen Kaschmirpullover. Seine blonden Haare waren vom Schlaf zerzaust; die linke Gesichtshälfte war vom Abdruck des Kopfkissens zerknittert. Kate kannte all seine Gewohnheiten. Sie erinnerte sich, dass er nach einem Langstreckenflug einen Viertelliter Orangensaft zu trinken pflegte, um den Durst zu stillen und das Vitamin-C wieder aufzufüllen. Sie wusste, dass er duschte und sich ins Bett legte, sobald er zu Hause war. Er zog sich die Decke über den Kopf, schottete sich gegen jede Licht- und Geräuschquelle ab.
Sie wusste um all diese Dinge, und obwohl sie in seine haselnussbraunen Augen sah und den Blick nicht abzuwenden vermochte, blieb ihr Herz völlig unbeteiligt. Ihre Gefühle waren abgestumpft, als wären sie von dem Mann, der vor ihr stand, in tausend Stücke zerschmettert und nie wieder zum Leben erweckt worden.
»Hallo, Katy.«
»Andrew …«
»Was führt dich nach –« Er unterbrach sich, schüttelte lächelnd den Kopf. »Jetzt hätte ich um ein Haar ›nach Hause‹ gesagt. Ist das nicht seltsam? Das müssen die Nachwirkungen der Zeitverschiebung sein. Schließlich ist das seit sechs Monaten nicht mehr dein Zuhause.«
»Fast sieben«, erwiderte sie sanft. »Seit ich dich mit meiner Schwester im Bett erwischt habe.«
»Und du postwendend am nächsten Tag die Scheidung eingereicht hast …«
Sie nickte und sah ihn an, als hätte er auf etwas hingewiesen, was eigentlich selbstverständlich war.
»Wir hätten die Sache wieder ins Lot bringen können, Katy.«
Kate seufzte, blickte in seine moorfarbenen Augen. Eine Zeit lang hatte sie sich gewünscht – von ganzem Herzen –, dass dies möglich sei. Aber sie glaubte nicht daran.
»Dein Zorn war völlig verdient«, fuhr er fort, in einem Ton, der mehr denn je dem eines geschickt taktierenden Politikers entsprach. »Aber müssen wir das alles noch einmal durchkauen? Wer wollte schließlich die Scheidung? Wer konnte nicht verzeihen, wer war nicht bereit, zu einer Eheberatung zu gehen?«
»Ich.«
»Die schnellste Scheidung in der Geschichte des Bezirks. Bäng, bäng – meine Freunde fragen sich noch heute, wie du das bewerkstelligt hast. Sie mussten sich jahrelang mit endlosen Fragen und Gerichtsterminen herumschlagen.«
»Bei uns war das nicht
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