Die geheime Stunde
überlegte, ob er sie zum Abschied küssen sollte; sie trat einen kleinen Schritt zurück, um ihm zu signalisieren, dass es besser war, darauf zu verzichten.
Sie nickte ihm ein letztes Mal zu, dann trat sie auf den Flur hinaus. Während sie auf den Lift wartete, hörte sie, wie die Tür leise ins Schloss fiel. Sie holte tief Luft, erstaunt über die zunehmende Klarheit der Erkenntnis: Sie war nicht nur gekommen, um die Verbindung mit Willa zu spüren. Sie war gekommen, um Abschied von Andrew zu nehmen. Ihre Gefühle für ihn gehörten der Vergangenheit an.
Sie dachte an Connecticut. An den dunkelblauen Long Island Sound, die goldenen Flussmarschen. Sie dachte an zwei Kinder und einen Hund mit Kletten im Fell. Sie dachte an ihre Schwester, die in den Norden aufgebrochen war, um ihre Seele zu erforschen, auf der Suche nach Antworten. Und sie dachte an einen Mann, der das Bindeglied zwischen allem darstellte – zwischen all den außergewöhnlichen und gewöhnlichen Dingen im Leben, die Kate am allerwichtigsten geworden waren.
[home]
18
T eddy blickte aus dem Fenster und machte sich Sorgen um Maggie. Es gab zu viele Gefahren auf der Welt, vor allem, wenn jemand so jung, hübsch und verletzlich war wie sie. Er hatte Amanda Martins Foto in der Zeitung gesehen – das letzte Opfer. Liebenswert und gut aussehend, wie die Mädchen, denen er in der Schule oder in der Stadt begegnete. Sie hatte viel von Maggie. Und wenn solche grauenvollen Dinge Mädchen wie Amanda widerfahren konnten, war Maggie noch weniger davor gefeit.
Er warf einen prüfenden Blick auf seine Uhr und beschloss, ihr noch zehn Minuten Zeit zu lassen, bevor er sich auf die Suche nach ihr machte. Zehn Minuten. Es war genau fünf nach drei, er würde ihr also bis viertel nach drei geben. Sein Magen verkrampfte sich vor Unruhe. Normalerweise war sie vor ihm zu Hause – wenn er zur Tür hereinkam, wartete sie bereits auf ihn, nahm ihn in Beschlag und wollte mit ihm spielen, reden oder ihm einen Witz erzählen.
In letzter Zeit hatte ihn sein Leben ziemlich auf Trab gehalten, aber das gefiel ihm. Während des Gerätetrainings musste er sich nicht den Kopf zerbrechen – was er neuerdings ziemlich oft tat, entweder vor oder nach dem Training für die Hallenfußball-Liga –, was aus Maggie werden sollte, wenn er nächstes Jahr zur Uni ging.
Abgesehen davon, bewahrte ihn die Auslastung mit Fußballspielen und Hausaufgaben davor, richtig Heimweh zu bekommen. Gramps und Maeve waren gerade in der Küche, beim Kuchenbacken für Thanksgiving, das ein Fest mit allem Drum und Dran werden sollte. Das Leben im Haus seines Großvaters hatte zwar viele praktische Vorteile, aber Teddy vermisste gerade jetzt sein eigenes Zuhause. Er warf abermals einen Blick auf die Uhr: sieben nach drei.
Es war Montag, und bis Thanksgiving waren es nur noch vier Tage hin. Früher hatte seine Mutter für die ganze Familie gekocht und war in aller Frühe aufgestanden, um den Truthahn in die Bratröhre zu schieben. Das ganze Haus hatte köstlich gerochen. Alle waren auf den Fußballplatz gegangen, um sich das alljährliche Fußballspiel der beiden Erzrivalen Shoreline und Riverside anzusehen. Sogar die Fans des europäischen Fußballs waren erschienen, um ihre Schule anzufeuern, und seine Mutter hatte seinen Vater, der sonst eher diese Spielvariante liebte, damit aufgezogen, um wie viel größer und kräftiger die Footballspieler gebaut waren.
Teddys Kraft wuchs mit jedem Mal, wenn er die vorgeschriebene Anzahl Liegestütze machte oder Hanteln stemmte. Auf diese Weise würde er seine Schwester besser vor den Gefahren in der Welt beschützen können. Außerdem wäre seine Mutter stolz auf ihn, wenn sie ihn sehen könnte. Sie würde sich vielleicht eines Besseren belehren lassen und erkennen, dass der Unterschied zwischen Football- und Fußballspielern am Ende doch nicht so groß war.
Was mochten die Mädchen in der Stadt angesichts der Neuigkeit empfinden, dass ein Nachahmungstäter auf der Lauer lag? Teddys Magen verkrampfte sich bei dem Gedanken, und bei dem Gedanken an Maggie: zehn nach drei. Während Gramps und Maeve in der Küche beschäftigt waren, ging Teddy in das Arbeitszimmer seines Großvaters hinunter.
Gramps’ juristische Fachwerke säumten die Wände, doch auf dem Schreibtisch hatte sein Vater seine Unterlagen ausgebreitet. Mehrere Aktenordner mit Zeugenaussagen, Polizeiberichten, Labortests, Ergebnissen von DNA -Analysen. Teddy bewunderte seinen Vater für das
Weitere Kostenlose Bücher