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Die geheime Stunde

Die geheime Stunde

Titel: Die geheime Stunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luanne Rice
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für das, was ich dir antat, schwor mir hoch und heilig, dass mir so etwas nie wieder passieren würde …«
    »Aber es passierte dir immer wieder.«
    »Ich weiß. Ich hatte das Gefühl, dass du mir entglittst – dass du es satt hattest. Mich satt hattest. Und dann kam Willa, um für mich zu arbeiten – ich weiß, das war falsch von mir. Aber es war nicht geplant, es passierte einfach … Sie erinnerte mich an dich. Wie verdreht es auch klingen mag, aber ich hatte das Gefühl, die Uhr zurückdrehen zu können, wieder jung zu sein.«
    Kate ballte die Fäuste. »Deine Rechtfertigung ist heute noch genauso erbärmlich wie damals, als ich sie zum ersten Mal hörte. Du hast mit meiner jüngeren Schwester geschlafen, um bei ihr die Leidenschaft wiederzufinden, die du früher für mich empfunden hast …«
    »Katy … bitte.«
    »Sie war erst zweiundzwanzig – wir haben sie gemeinsam großgezogen. Du hast sie verführt.«
    »Bitte nicht.« Er bedeckte seine Augen. »Ich kann es nicht ertragen, wenn du das sagst.«
    Kate starrte ihn an, erkannte an seinem ganzen Gebaren, wie elend er sich fühlte. Sie hatte Andrew geliebt, weil er Willa von klein auf behandelt hatte, als sei sie sein eigenes Kind. Sie wäre nie auf die Idee gekommen, dass die Beziehung eine solche Entwicklung nehmen könnte, und sie musste Andrew das Gleiche zugestehen. Sie waren rechtskräftig geschieden. Nach dem heutigen Besuch konnte jeder seiner Wege gehen.
    »Du bist müde, und ich bin gereizt. Lass uns aufhören zu streiten, ja?«, schlug sie vor.
    »Ja. In Ordnung. Warum sagst du mir nicht, weshalb du gekommen bist?«
    Sie sah ihn an, mit ausdrucklosen Augen. Sie hatte Dampf abgelassen und fühlte sich wie befreit, als hätte jemand den Stöpsel aus der Badewanne gezogen. Andrews Gesicht war ihr vertraut. Seine Stimme klang liebenswürdig; er arbeitete für einen Senator, der für seine liberalen Ansichten und seine einfühlsamen Anschauungen über Menschenrechte und Umweltschutz bekannt war – Senator Gordon hatte Andrew zu seiner rechten Hand gemacht, weil er die gleichen Ansichten vertrat und aufgeschlossen war. Weil er, trotz aller persönlichen Fehler, ein gutherziger Mensch war.
    Kate blickte ihrem Exehemann in die Augen.
    »Weil ich das Bedürfnis habe, mich ihr nahe zu fühlen«, flüsterte sie.
    »Was?«
    »Willa … sie fehlt mir so sehr, Andrew. Ich habe versucht, mit Matt zu reden, aber er wollte nichts davon hören. Ich war in Connecticut, musst du wissen. Und danach in Massachusetts – in der Tankstelle, wo ihre Kreditkarte zuletzt benutzt wurde.«
    »Warum denn das, Kate?«
    »Um zu verstehen.« Kate kämpfte um jedes Wort. »Um mir ein Bild zu machen. Wohin sie fuhr – und warum. Wenn ich nur die Postkarte früher erhalten hätte …«
    »Tut mir Leid«, sagte er, den Blick auf seine nackten Füße gesenkt. »Das war meine Schuld. Ich konnte es damals nicht einmal ertragen, deinen Namen auf den Adressetiketten zu sehen. Du hattest die Scheidung eingereicht; ich warf die Zeitschriften einfach in einen Korb; die Postkarte lag dazwischen. Muss sich verfangen haben oder zwischen die Seiten gerutscht sein.«
    »Wenn wir sie nur früher gefunden hätten …«
    »Glaubst du, wir hätten auch nur irgendetwas verhindern können?«
    Kate nickte, ihre Augen kehrten zu dem Porträt zurück. Willas Künstlerblick, der das Wesentliche erfasste, wurde in den zarten Aquarellfarben sichtbar, im sicheren Pinselstrich, in den Gefühlen, die sich im Gesicht ihres Modells widerspiegelten, im kühnen Weiß des Schals.
    »Was denn?«
    »Ich bin mir nicht sicher«, flüsterte Kate.
    »Ich weiß, was du befürchtet hast, gleich nachdem sie verschwunden war.« Andrews Miene war verzerrt, als weckten die Worte Schamgefühle in ihm. »Dass sie sich etwas antun könnte.«
    »Ja, ich hatte wirklich Angst, dass sie mit dem Gedanken gespielt hatte, weil sie nicht damit weiterleben konnte, was sie mir angetan hatte.«
    »Ich kann deine Befürchtungen verstehen – nach allem, wie du reagiert hast, als du hereingeplatzt bist …« Andrews haselnussbraune Augen huschten unwillkürlich zur Tür, die zum Gang ins Schlafzimmer führte.
    Kates Brust schmerzte; sie erinnerte sich, wie sie wegen einer starken Erkältung früher nach Hause gegangen war. Sie hatte die Schlafzimmertür geöffnet, um ihre Jacke in den Schrank zu hängen und sich ins Bett zu verkriechen. Andrew und Willa waren im Bett, beide nackt und eng umschlungen, hatten das Gesicht des

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