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Die geheime Stunde

Die geheime Stunde

Titel: Die geheime Stunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luanne Rice
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klingelte. Mit einem Stoßgebet, es möge Maggie oder die ersehnte Mitteilung sein, dass sie wieder zu Hause war, tastete er beim Fahren nach dem Telefon.
    »Hallo?«
    »Hallo, Mr. O’Rourke?« Die Stimme kam ihm bekannt vor.
    »Ja bitte?«
    »Ich bin Dr. Beckwiths Sprechstundenhilfe …«
    »Oh, hallo.« Er umklammerte das Telefon, schlitterte um die Ecke.
    »Dr. Beckwith hat gerade angerufen und gesagt, dass Sie sich im Gefängnis mit ihm treffen wollten; er bat, mich mit Ihnen in Verbindung setzen und zu fragen, ob es ein Problem gibt.«
    John hatte im Moment ganz andere Dinge im Kopf. Der Termin mit Merrill und Beckwith, die gemeinsame Strategiesitzung in Winterham, war ihm völlig entfallen.
    »Tut mit Leid.« John bog in die Zufahrt zum East Wind ein. »Würden Sie ihm bitte ausrichten, dass ich es heute nicht schaffe? Mir ist etwas Wichtiges dazwischengekommen. Wiederhören.«
    Der Volvo wurde auf dem unbefestigten, mit tiefen Furchen übersäten Weg kräftig durchgerüttelt. Die Wipfel der Fichten, die den Weg säumten, hatten sich ineinander verhakt, bildeten einen Baldachin. John hielt nach links und rechts Ausschau, zwischen den Baumstämmen.
    Er hörte den Wind im Geäst, die Wellen, die gegen das Ufer brandeten. Und ein wenig leiser, wie Bassnoten im Akkord der Küstenmusik, vernahm er ein Hämmern. Zu seiner Linken befand sich der Gasthof, zu seiner Rechten die Apfelplantage, der Bach und der Leuchtturm.
    Er hielt in dem Fichtenwäldchen an, stieg aus und lauschte. Eindeutig von rechts. Die Hammerschläge kamen aus der Richtung des Leuchtturms, aber nicht so weit weg – ein kurzer Fußmarsch vom Gasthof, schätzungsweise. Vielleicht setzte Barkley die alte Scheune instand – ein beliebter Treffpunkt während ihrer Jugendzeit, wo sie heimlich Bier getrunken hatten. Eine Erinnerung an glückliche Zeiten; Theresa war immer dabei gewesen.
    John rannte in der zunehmenden Dämmerung zur Scheune hinüber, während der Wind immer stärker wurde und zu heulen begann.
     
    Kate und Teddy blieben in Maggies Zimmer. Teddy machte keine Anstalten, sich von der Stelle zu rühren, als ließe sich ihre Rückkehr auf telepathischem Weg beschleunigen, wenn er sich mit ihren persönlichen Dingen umgab. Die Hunde, die spürten, dass Kate und Teddy Trost brauchten, kamen nach oben und legten sich zu ihren Füßen nieder, zwei zottelige Schutzengel.
    »Dass du Brainer wieder gebadet hast!«, staunte Teddy. »Danke.«
    »Gern geschehen. Bonnie hatte es auch bitter nötig. Das ganze Fell war voll von diesem komischen weißen Staub.«
    »Hmm.« Teddy lief zum Fenster, spähte in die Dunkelheit hinaus.
    »Sie kommt bald nach Hause«, sagte Kate, die auf Maggies Bettkante saß; sie hatte von der Angst ein Engegefühl in der Brust, die Situation war ihr zu vertraut. Sie konnte die erste Nacht nicht vergessen, als sie bemerkt hatte, dass Willa verschwunden war. »Dein Vater wird sie finden.«
    »Sie ist eigensinnig«, sagte Teddy, die Stirn gegen das Glas gepresst. »Sie tut, was man ihr sagt, aber sie findet immer ein Hintertürchen. Genau wie jetzt: Sie hat Hausarrest, aber wahrscheinlich hat sie eine Möglichkeit gefunden, die Strafe zu umgehen.«
    »Und wie?«
    »Indem sie beispielsweise sagt, dass sie Zusatzlektüre für ihre Hausaufgaben braucht. Wenn Gramps das benötigte Buch nicht hat, fährt sie mit dem Fahrrad zur Bücherei.«
    »Glaubst du, dass sie dort ist?«
    Teddy schüttelte den Kopf. »Dann wäre sie bereits wieder daheim. Die Bibliothekarin achtet darauf, dass sich Jugendliche ohne Begleitung der Eltern nach vier Uhr nicht mehr dort aufhalten – damit sie noch vor Einbruch der Dunkelheit zu Hause sind. Und außerdem waren wir beide miteinander verabredet. Wir wollten etwas zusammen machen.«
    »Was denn?«
    »Platzkarten.« Teddy zuckte die Achseln.
    »War das deine Idee?« Kate lächelte, sie kannte die Antwort bereits.
    Was Teddy zu einem Lächeln veranlasste. »Nein. Ich habe mich ihr zuliebe dazu bereit erklärt«, erklärte er mit einem Schulterzucken.
    »Du bist ein prima Bruder.«
    »Ich bemühe mich. Sie vermisst unsere Mutter. Dad tut sein Bestes, aber er ist mit seiner Arbeit mehr als ausgelastet. Maggie braucht mich.«
    »Ich weiß. Willa hat mich auch gebraucht.«
    »Deine Schwester?«
    »Ja. Ich habe versucht, ihr die Mutter zu ersetzen. Es war nicht einfach, weil ich selbst noch ein halbes Kind war und mich völlig umstellen musste, was meine Terminplanung betraf. Während sich meine

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