Die geheime Stunde
diese Zeit zu Hause.« Sie sah erschrocken und ein wenig ängstlich aus.
»Heute schon.«
»Das tut mir Leid.« Maggie sah ihren Bruder an. »Können wir ihn auf seinem Handy anrufen und ihm sagen, dass ich zu Hause bin?«
»Ja.« Teddy lächelte mit liebevoller Nachsicht. »Das ist eine sehr gute Idee.«
»Ich hab nur an sie gedacht«, sagte Caleb, als er sah, wie John sich anschickte, die Leiter hochzuklettern. »Kein Wunder, dass Sie sich Sorgen machen, seit die neue Leiche in dem Wellenbrecher aufgetaucht ist. Achtung, Mr. O’Rourke – ich komme jetzt. In Ordnung?«
»Lass ihn runter.« Barkley ergriff John an der Schulter, hielt ihn fest.
»Man sieht ihm doch an, dass er etwas auf dem Kerbholz hat«, murmelte John mit zusammengebissenen Zähnen. »Und Maggie ist verschwunden …«
»Das ist nicht meine Schuld.« Caleb kletterte hinab. John packte ihn an der Schulter, und Caleb verdrehte die Augen, als befürchtete er, John könnte die Kontrolle über sich verlieren. Er war Anfang zwanzig, aber er sah nicht mehr wie ein junger Bursche aus. Er hatte Falten um die Augen von der Arbeit unter dem freien Himmel, und seine Stirn begann sich zu lichten. Doch sein Körper war durchtrainiert – John konnte die stählernen Muskeln unter seinem T-Shirt spüren und packte noch fester zu.
»Kanntest du das Mädchen am Point Heron, Caleb?«
Seine Fantasie war nicht mit ihm durchgegangen: Caleb wurde rot und blickte zur Decke empor, mied Johns Blick.
»Antworte, Caleb«, mischte sich Barkley ein. »Damit er Ruhe gibt.«
»Nur aus den Zeitungen. Sah wirklich hübsch aus. Schlimm, was ihr passiert ist.«
»Was zum Teufel hat das mit uns zu tun?«, fragte Barkley. »Wieso kommst du her und führst dich auf als … deine Tochter ist noch nicht zu Hause, sagtest du? Wir unterbrechen die Arbeit sofort und helfen dir bei der Suche.«
Johns Handy läutete; es steckte in seiner Hosentasche. Hunt hörte es ebenfalls, sah flüchtig nach unten. John klappte es auf, wandte den Blick von Barkley und Caleb ab.
»Hallo?«
»Dad – sie ist zu Hause«, sagte Teddy.
»Wirklich?« John blickte Caleb an. Er sah die Erleichterung und Genugtuung in seinen Augen – als wüsste er, dass er aus dem Schneider war –, dann richtete er sich kerzengerade auf und schüttelte Johns Hand ab, die seine Schulter noch immer umklammert hielt.
»Ja. Sie war Blumen pflücken. Ob du es glaubst oder nicht …«
»Das glaube ich dir unbesehen.« John schluckte, spürte die drei Augenpaare der Jenkins-Männer auf sich.
»Bis später, Dad, ja?«
»Ja, bis später, Teddy.«
Als John das Handy zuklappte, merkte er, dass Barkley ihn beobachtete. Er holte tief Luft. Bis vor zwei Jahren hätte er noch felsenfest behauptet, Barkley Jenkins sei einer der besten Freunde, die er jemals gehabt hatte.
»Alles in Ordnung mit deiner Tochter?«, erkundigte sich Hunt von der anderen Seite des Raumes.
»Ja. Sie ist wohlbehalten nach Hause zurückgekehrt.«
»Das freut mich.«
»Uns alle«, fügte Barkley hinzu. »Wir sind alle froh darüber. Hör mal, John – wir wissen beide, dass es hart für dich war.«
»Lass es gut sein, Bark.« Johns Stimme zitterte.
»Ich habe dir nie gesagt, wie Leid …«
Für John waren diese Worte wie ein Schlag ins Gesicht. Nichts, was Barkley zu seiner Entschuldigung vorbringen könnte, würde den Verrat seiner Frau erklären, die ihn hintergangen und ihre Familie aufs Spiel gesetzt hatte.
Wenn er wieder damit anfing, Theresas Beweggründe erforschen zu wollen, konnte er ein für alle Mal einpacken. Er dachte an Kate, hoffte, dass sie noch im Haus war, auch wenn Maggie sich jetzt in Sicherheit befand. Er erinnerte sich daran, wie er sie in seinen Armen gehalten hatte, an ihren Atem, der seinen Hals wie ein Hauch gestreift, an die Zeit, die sie an dem nach Westen fließenden Bach verbracht hatten. Und er wünschte sich mehr als alles auf der Welt, dass sie nicht weggehen würde, bevor er zu Hause war.
»Bin ich froh, dass sie wieder aufgetaucht ist, Mr. O’Rourke!« Caleb lachte, eindeutig erleichtert. »Ich dachte schon, Sie wollten mir ans Leder.«
John blickte zu ihm hinüber. »Sah ganz so aus, als hättest du ein schlechtes Gewissen, Caleb.«
»Ich doch nicht! Und mit Ihrer Tochter hab ich überhaupt nichts zu schaffen.« Calebs Ton klang wieder, als fühle er sich unwohl in seiner Haut. »Ich hab nur von Ihrem Haus geredet. Ich dachte, das meinten Sie.«
»Mein Haus?«
»Der Ziegelstein – Sie
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