Die geheime Stunde
liebte er Maeve und fragte sich, was aus ihr werden würde, wenn sie in den Ruhestand ging.
Sein Vater saß an einem Ende des Tisches und las Zeitung. Sein Großvater hatte am anderen Ende Platz genommen, löste Kreuzworträtsel. Teddy aß seinen Haferbrei und beobachtete, wie die beiden Männer ihren Kaffee tranken – beide hatten dickwandige weiße Becher, und beide hielten den Griff so fest umklammert, als wollten sie das Frühstück schleunigst hinter sich bringen, Prozesse führen und der Welt die Stirn bieten.
»Hallo, Dad«, sagte Teddy.
Sein Vater blickte nicht einmal von seiner Zeitung hoch; es war noch früh, und er wurde morgens nur langsam wach – erst wenn er die Football-Ergebnisse gelesen und zwei Tassen Kaffee getrunken hatte –, aber es gelang ihm, einen Laut von sich zu geben, der wie »Was?« klang.
»Ich habe heute ein Spiel. Gegen Riverdale.«
»Eure Erzrivalen«, warf sein Großvater ein.
»Richtig.« Teddy grinste.
»Dann müsst ihr heute erste Sahne sein. Erzrivalen verdienen zusätzliche Anstrengungen.«
»Das ist doch nur die Junior Varsity, nicht die Erste Liga!«
»Junior Varsity, so ein Blödsinn! Keine faulen Ausreden! Erzrivalen besitzen ausnahmslos ähnliche Eigenschaften. Wie Armee und Marine, Yale und Harvard …«
Teddy lachte. »Riverdale und Shoreline.«
»Shoreline vor, noch ein Tor!«, intonierte sein Großvater, mit seinem Löffel auf den Tisch trommelnd.
»Nachschlag, mein Lieber?«, fragte Maeve mit ihrem schönem Akzent, weil sie dachte, der Richter verlange eine weitere Portion Haferbrei.
»Nein danke, Maeve«, sagte sein Großvater, mit einem Mal ernst. War es ihm peinlich, dass Maeve ihn »mein Lieber« genannt hatte? Ganz offensichtlich! Teddy sah, wie die Röte über dem Knoten seiner Krawatte aufstieg, sich auf seinem Gesicht ausbreitete. Teddy musste heimlich lachen. Jetzt schüttelte der alte Mann, um seine Verlegenheit zu überspielen, die Zeitung seines Sohnes. »Hast du das gehört, Johnny? Wichtiges Spiel heute!«
Teddy verging das Lachen. Er brachte keinen Bissen mehr von seinem Haferbrei herunter. Er hoffte und hoffte …
Mach schon, Dad.
»Ich würde ja gerne mitkommen, aber ich muss zum Arzt, meinen Fuß anschauen lassen«, sagte Gramps. »Hab einen Termin beim Orthopäden …«
Teddy schwieg. Er wusste, dass sein Großvater flunkerte; Maeve hatte den Termin, nicht er. Ihm konnte man nichts vormachen, denn er hatte gemerkt, dass Maeve seit zwei Tagen hinkte. Gestern hatte er seinen Großvater dabei ertappt, wie er neben ihr auf dem Sofa saß und ihr half, den Strumpf und den schweren Schuh auszuzuziehen, und dann hatte er ihren bloßen Fuß mit solcher Behutsamkeit untersucht, dass Teddy Sehnsucht nach seiner Mutter bekam. Dann hatte er gehört, wie sein Großvater den Orthopäden anrief.
»Du hast heute Nachmittag ein Spiel?«, fragte sein Vater und ließ die Zeitung sinken.
»Ja.«
»Na los, sag ihm, um welche Uhrzeit, damit er sich den Wecker stellen kann«, sagte sein Großvater mit Nachdruck.
»Um vier. Ein Heimspiel.«
Teddy erkannte an der zerknirschten Miene seines Vaters, dass mit ihm nicht zu rechnen war. Sein Vater öffnete den Mund – vermutlich, um ihm zu erklären, dass seine Anwesenheit bei der Entscheidung über einen Antrag, bei einer Konferenzschaltung oder einer internen Besprechung im Richterzimmer unabdingbar sei –, aber Teddy wartete die Antwort gar nicht erst ab.
»Schon gut, Dad.« Er rang sich ein Lächeln ab, damit sein Vater die Enttäuschung nicht sah, und verließ mit Brainer im Schlepptau die Küche, als Maggie mit trübsinniger Miene hereinkam und verkündete, dass sie keinen Appetit auf Haferbrei habe und ein Halloween-Kostüm für die Schulaufführung brauche.
»Teddy, als was soll ich gehen?«, rief sie, machte auf dem Absatz kehrt und eilte ihm nach.
»Als was du möchtest, Maggie.«
»Du willst mir nicht helfen …«
»Tut mir Leid«, sagte er, als er ihren gekränkten Blick sah. Dass sein Vater pausenlos arbeitete, war nicht ihre Schuld, und Teddy hatte ein schlechtes Gewissen, weil er ihre Gefühle verletzt hatte. Die Sache war nur, dass er sich ebenfalls verletzt fühlte. Sein Dad war bei keinem einzigen Spiel dabei gewesen, den ganzen Monat. Teddy hatte ein Spiel verpatzt und bei einem anderen zwei Tore geschossen, aber niemand aus seiner Familie war unter den Zuschauern gewesen.
»Kann ich nicht als Fußballspieler gehen?«, flüsterte Maggie. »Und deine alte Kluft
Weitere Kostenlose Bücher