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Die geheime Stunde

Die geheime Stunde

Titel: Die geheime Stunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luanne Rice
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wurde – ein alter Porsche –, verließen sie das exklusive Fest. Als sie am Tune Inn angekommen waren, um ein Bier zu trinken, hielten sie bereits Händchen. Und sobald sie in seiner Wohnung in Watergate gelandet waren, war Kates Schicksal besiegelt. Sie ahnte nicht, dass es sich um eine Strategie handelte, die typisch für ihn war, und nicht um den Beginn einer großen, dauerhaften Liebe.
    Er hatte das Gewicht der Welt für eine Nacht von ihren Schultern genommen. In den darauf folgenden Wochen hatte er ihr Liebe und Geborgenheit versprochen. Das vaterlose kleine Mädchen in ihr hatte sich nach diesem Gelöbnis gesehnt – und blind nach allem gegriffen, was es beinhaltete. Willa war zu dem Zeitpunkt erst fünfzehn gewesen. Kate fühlte sich emotional derart erschöpft von der Anstrengung, ihre Schwester großzuziehen, dass sie Andrews scheinbaren Wunsch, für beide zu sorgen, dankbar akzeptiert hatte.
    Die Ehe hatte sieben Jahre gedauert. War er in dieser Zeit treu gewesen? Vermutlich nicht. Er hatte eine Schwäche für bedürftige Frauen, und daran herrschte offenbar kein Mangel: Sekretärinnen oder Assistentinnen, die einer Gehaltserhöhung bedurften, Praktikantinnen, die einer Abwechslung bedurften, Lobbyistinnen mit außerparlamentarischen Interessen, die seiner Zeit und Aufmerksamkeit bedurften, und Wählerinnen, die einer Möglichkeit bedurften, sich bei seinem Chef Gehör zu verschaffen. Andrew, in seiner Großzügigkeit, hatte gewiss sein Bestes getan, um allen Wünschen gerecht zu werden.
    Er war ein notorischer Schürzenjäger, und keine Frau, die Hilfe bei ihm suchte, war vor ihm sicher – aus einer anderen Warte betrachtet.
    Als Willa seine Praktikantin wurde – um neben ihrer Malerei Geld zu verdienen –, hatte Kate ihre Ehe bereits abgeschrieben. Vielleicht hatte sie insgeheim noch eine letzte Hoffnung gehegt: dass Andrew, solange ihre Schwester in seinem Büro arbeitete, nicht über die Stränge schlagen würde. Sie hätte sich nie träumen lassen, dass Willa seine nächste Eroberung sein würde. Und sie fühlte eine unerträgliche Mischung aus Schuld und Wut, weil sie ihre Schwester ermutigt hatte, den Job anzunehmen.
    Was wäre gewesen, wenn Willas Karte sie rechtzeitig erreicht hätte? Kate las sie die Worte noch einmal, als sie nun im Wagen saß:
»Ich wünschte, du wärst hier …«
Hätte sie sich auf den Weg gemacht?
    Bonnie winselte, wollte weiterfahren, aber Kate reagierte nicht, starrte nur die Postkarte an. Was wäre gewesen, wenn sie nicht aus der gemeinsamen Wohnung in Watergate ausgezogen wäre, wenn Willas Karte kein halbes Jahr in einem Berg drittklassiger Post verborgen geblieben wäre?
    Wäre sie in der Lage gewesen, ihre Schwester zu retten? Die Antwort hing von der Antwort auf eine andere Frage ab: Wäre es ihr gelungen, ihren Stolz zu begraben und zu Willa ins East Wind zu fahren, um sich mit ihr auszusprechen?
    Nein.
    So viel war Kate inzwischen klar – sie hatte sich die Wahrheit eingestehen müssen, während der langen dunklen Nacht, die über ihre Seele gekommen war. Sie wäre nicht bereit gewesen. Ihre Wut war noch zu groß. Sie hatte sich sogar
gewünscht
, Willa möge verschwinden, hatte sich nach den roten Schuhen aus dem Märchen gesehnt, aber mit der gegenteiligen Wirkung
: Dreimal mit den Hacken aufspampfen und weg mit ihr, ein für alle Mal.
Sie hatte ihre kleine Schwester gehasst, mit einer unvermuteten, alles verzehrenden Leidenschaft, den Menschen, den sie auf dieser Welt am meisten geliebt und beschützt hatte.
    Bonnie winselte abermals.
    Kate öffnete blinzelnd die Augen. Die Brise, die vom Meer herüberwehte, wurde stärker. Als sich die Dunkelheit herabsenkte, erwachte der Leuchtturm zum Leben, und der Lichtstrahl nahm seine Himmelsreise auf.
    Mit der Zeit hatte sich alles verändert.
    Die sechs Monate hatten das Gerippe des Hasses gebleicht, reingewaschen, vom Gift befreit, spröde und brüchig gemacht, bereit, von den Gezeiten hinweggespült zu werden. Das Einzige, was blieb, war eine alles überstrahlende Liebe.
    Kates Liebe zu ihrer kleinen Schwester strahlte hell wie ein Stern. Sie glühte in ihrem Innern, an der Stelle, an der sich ihr Herz befand. Diese Liebe erfüllte ihr Blut, floss mit allen guten Erinnerungen: den mit Austerschalen und Sanddollar-Seeigeln geschmückten Weihnachtsbaum, die Wildpferde, die sie von den mit Strandhafer bewachsenen Dünen beobachtet hatten.
    Als sie in der Dämmerung auf das Haus der O’Rourkes blickte,

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