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Die geheime Stunde

Die geheime Stunde

Titel: Die geheime Stunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luanne Rice
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geschlafen.
    »Hoffentlich haben wir Sie nicht vertrieben«, sagte Barkley.
    »Nein, es war sehr schön. Sogar Bonnie hat den Aufenthalt genossen.«
    »Netter Hund.« Barkley tätschelte Bonnie und ließ sich von ihr die Finger ablecken. »Ich möchte wetten, er erinnert sich an mich.«
    Kate hatte plötzlich ein flaues Gefühl im Magen, und sie meinte zu hören, wie Felicity der Atem stockte. »Barkley!«, rief sie warnend.
    »Schon gut«, erwiderte Kate. Sie hatte Felicity gleich nach ihrer Ankunft die Gründe für ihren Aufenthalt anvertraut, da sie alles zu erfahren hoffte, was die Familie möglicherweise wusste. Felicity hatte sich, wie sie sagte, an Bonnie erinnert – oder an einen Scotchterrier, der genauso aussah –, nicht aber an die Besitzerin oder den Besitzer. »Manche Gäste bleiben nur eine Nacht«, hatte sie erklärt. »Die Leute kommen und gehen … wir bekommen sie kaum zu Gesicht.«
    »Sie erinnern sich ebenfalls an Bonnie?«, fragte Kate nun und musterte Barkley. Er war hoch gewachsen und schlank, mit ergrauenden blonden Haaren und einem großen blonden Schnauzbart. Seine Augen zeigten, dass er das Leben in vollen Zügen genoss – sie waren immer zu einem Lächeln aufgelegt und jetzt blutunterlaufen, weil er gestern Abend offensichtlich zu tief ins Glas geschaut hatte. Sie kannte die verräterischen Zeichen von den ewigen Cocktailpartys in Washington.
    »Leider nicht.« Er schüttelte den Kopf. »Ich wünschte, es wäre anders, Kate. Felicity hat mir erzählt, dass Sie auf der Suche nach Ihrer Schwester sind und dass Bonnie ihr gehört. Ich hoffe sehr, dass Sie sie finden …«
    »Ich auch«, sagte Kate.
    Die Besitzer lächelten, und Felicity reichte ihr die Rechnung, an die sie den Kreditkarten-Beleg geheftet hatte. Barkley trug trotz ihres Protests ihr Gepäck zum Auto, bis auf ein kleines Päckchen, das sie nicht aus der Hand gab. Als sie in der Auffahrt stand und zusah, wie er die Reisetaschen im Kofferraum verstaute, hörte sie Hammerschläge. Sie waren laut und schienen aus der Nähe zu kommen, um ein Vielfaches verstärkt durch den Nebel.
    Ihr Blick schweifte über das Gelände, der Richtung des Geräusches folgend, und fiel auf eine Scheune, nördlich des Fußweges, der zum Strand, zum Wellenbrecher und zu der weiter entfernten Landzunge führte, auf der sich der Leuchtturm befand.
    Die Scheune war verwittert und alt. Das Dach, dem etliche Schindeln fehlten, hing in der Mitte durch. Ein junger Mann stand auf der obersten Sprosse einer hohen Leiter und hämmerte, direkt unter der Dachrinne. Seine schmale Silhouette zeichnete sich dunkel im Nebel ab. Plötzlich hörte er auf zu hämmern, drehte sich um und blickte zu Kate hinüber. Er winkte, ein freundlicher Gruß, und sie winkte zurück.
    »Sieht aus, als würde er gleich herunterfallen«, sagte sie.
    »Caleb doch nicht.« Barkley schüttelte den Kopf.
    »Ihr Sohn?«
    »Ja. Er arbeitet die ganze Woche in meinem Bautrupp, und er hat eine besondere Gabe: Er ist absolut schwindelfrei – hängt sich kopfüber ins Gebälk, trägt schwere Stapel Dachziegel die Leitern hinauf, auf jeder Schulter einen, klettert auf die Leuchtturmspitze, um den Verputz auszubessern …«
    »Er versteht offenbar etwas von seinem Handwerk«, antwortete Kate und wunderte sich, dass sie dem jungen Mann während ihres Aufenthalts kein einziges Mal begegnet war.
    »Mehr als jeder andere. Er macht Überstunden und opfert seine freien Samstage, um den alten Schuppen umzubauen. Wir expandieren, Stück für Stück. Ich habe ihm die Wartung des Leuchtturms übertragen – wir stammen aus einer Familie, die seit vielen Generationen Leuchtturmwärter hervorgebracht hat.«
    »Wartung? Was müssen Sie da tun?«
    Er schmunzelte. »Wenn Sie es unbedingt wissen wollen … der Turm besteht aus Ziegelsteinen und Eisen. Da gibt es viel auszubessern, es ist ein ewiger Kampf gegen das Meer und die salzhaltige Luft. Mein Vater arbeitete früher rund um die Uhr, sieben Tage in der Woche, um die Anlage in einem Topzustand zu halten und die Nebel- und Lichtsignale zu kontrollieren. Das System wurde vor zwanzig Jahren automatisiert, eine grundlegende Erleichterung. Heute sind Sensoren – lichtempfindliche Relais – für die Regulierung der Lichtsignale zuständig.«
    »Maschinen verrichten die ganze Arbeit?«, fragte Kate. Sie dachte, wie traurig diese Entwicklung doch war und um wie viel romantischer der Gedanke, dass es einen Leuchtturmwärter gab, der über die

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