Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die geheime Stunde

Die geheime Stunde

Titel: Die geheime Stunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luanne Rice
Vom Netzwerk:
hatte ihre Hand genommen, ihre Finger umklammert.
    »Natürlich!«, hatte Willa ausgerufen und den Scheck angesehen. »Warum auch nicht? Andrew hat mein Selbstbewusstsein aufgemöbelt! Ich schwöre dir, ohne ihn hätte ich die St.-Chrys-Schule nie durchgestanden. All diese hockeyvernarrten, eingebildeten Kongressabgeordneten-Töchter … und nun gibt er mir meinen ersten Auftrag.«
    Andrew hatte unter dem Tisch ihre Hand gedrückt. Sie konnte ihn beinahe hören:
Komm schon, Katy. Entspann dich. Ich liebe dich, dich allein … ich habe dich geheiratet, keine andere.
Sie hatte diese Worte schon häufig von ihm gehört. Und da sie sich verzweifelt wünschte, sie mögen wahr sein, hatte sie immer wieder versucht, ihnen Glauben zu schenken.
    »Ich besitze bereits ein Porträt von Kate«, sagte Andrew. »Das mit dem Flugzeug. Aber es zeigt nur sie. Auf diesem sollten wir gemeinsam zu sehen sein, und lass ja nicht aus, dass ich ihr zu Füßen liege.« Er hatte eine liebeskranke Pose eingenommen und Kate mit großen Augen angeschaut, was Willa ein Lachen und Kate ein Lächeln entlockte. Sie hatte sich erweichen lassen; wie immer. Letztlich hatte er ihre Anschuldigungen jedes Mal vehement bestritten. Vielleicht täuschte sie sich – verdächtigte ihn grundlos.
    »Du bist verrückt.« Willa hatte den Kopf geschüttet.
    »Von Sinnen wäre zutreffender«, hatte Andrew gesagt und unter dem Tisch die Hand auf Kates Knie gelegt, ihre Haut gestreichelt, in langsamen Kreisen. »Bis über beide Ohren in deine Schwester verliebt.«
    »Ich liebe euch beide«, hatte Willa gesagt und vor Freude gestrahlt, wie ein Kind, das sich der Liebe seiner Eltern, der häuslichen Geborgenheit sicher ist. »Ich möchte euch das Porträt schenken.«
    »Nimm den Scheck.« Kate hatte ihr Lächeln erwidert. »Wenn Andrew dafür bezahlen möchte, lass ihn.«
    »Hör auf deine Schwester.« Andrew hatte gelacht. »Sie weiß, wovon sie redet: Ich bekomme immer meinen Willen!«
    Während Kate aus dem Fenster auf das Haus der O’Rourkes blickte, erinnerte sie sich, dass sie an jenem Tag wenigstens aus einem Grund glücklich gewesen war – weil Andrew so viel an Willa lag. Die Kunst war ein hartes Brot – ein Betätigungsfeld, in dem der Erfolgsmechanismus rätselhafter und das Geldverdienen bedeutend schwerer war als in der Meeresbiologie – und sie unterstütze alles, was Willas Selbstvertrauen stärkte.
    Darauf hatte sich Andrew immer meisterhaft verstanden …
    Seufzend trat sie vom Fenster zurück und nahm ihr Gepäck. Ihre Hände zitterten, eine Folge der alten Erinnerungen, die wieder in ihr hochkamen. Die Liebe, die sie für Willa empfand, und das Gefühl des Verrats lagen im Widerstreit miteinander. Warum hatte Willa Andrew nicht durchschaut? Wie konnte sie seinen abgedroschenen Sprüchen Glauben schenken, oder mit welchen Worten er sie auch immer herumgekriegt hatte?
    Das Porträt war nie gemalt worden. Willa schaffte es nicht, einen Termin zu finden, an dem beide Zeit hatten, ihr Modell zu sitzen. Außerdem hatte sie mit ihrer Arbeit in Andrews Büro auf dem Capitol Hill begonnen. Aktenablage, Telefondienst, Umschläge bestücken: anspruchslose Aufgaben, die ihrer Konzentration auf die Malerei keinen Abbruch taten.
    »Ach, Willa«, murmelte Kate, spürte immer noch den Schmerz. Dieser Augenblick, als sie den beiden auf die Schliche gekommen war …
    Sie trug ihr Gepäck nach unten und beglich die Rechnung.
    »Ich wäre doch raufgekommen und hätte Ihr Gepäck geholt«, sagte Barkley Jenkins und lächelte. »Dann lassen Sie es mich wenigstens zum Auto tragen.«
    »Kein Problem, die Taschen sind leicht.«
    »Wir sind ein wenig überrascht, dass Sie schon abreisen«, erklärte Felicity. »Sie hatten das Zimmer doch für eine weitere Woche gemietet.«
    »Ich weiß, aber ich möchte mir noch ein wenig von Neuengland anschauen, bevor ich mich wieder auf den Heimweg mache.«
    »Verständlich«, erwiderte Felicity hastig. Kate war verblüfft über ihre Reaktion. Sie hatte Einwände gegen ihre unverhoffte Entscheidung erwartet, ihren Aufenthalt vorzeitig abzubrechen, unter Umständen sogar einen Streit wegen der Rückvergütung, da sie bereits für zwei Wochen bezahlt hatte. Aber Felicity erledigte anstandslos die Abmeldeformalitäten und schrieb Kates Kreditkarte die fünfundsiebzig Dollar gut. Kate, die ihr dabei zusah, fand, dass Felicity abgehärmt aussah mit ihrer fahlen Haut und den geschwollenen Augen, als hätte sie nicht gut

Weitere Kostenlose Bücher