Die geheime Waffe
nahe an die Hausmauer fahren, dass Torsten auf seiner Seite nicht aussteigen konnte.
Mit einem nicht zu deutenden Lächeln wandte sie sich ihm zu. »Der Wagen hier ist doch gepanzert, nicht wahr?«
»Ja, warum?«
»Weil ich mir überlege, meine Tür schwungvoller aufzumachen, damit diese Idiotenschaukel neben uns eine saftige Delle abbekommt.«
»Lassen Sie den Wagen leben. Es gäbe nur Ärger.« Torsten holte den Laptop und die übrigen Unterlagen vom Rücksitz, sagte sich dann aber, dass es vielleicht zu auffällig war, so bepackt als angeblicher Tourist in der Pension zu erscheinen. Daher wartete er, bis Henriette ausgestiegen war, und kletterte über die Fahrerseite ins Freie. Dann hob er seine Reisetasche aus dem Kofferraum. Zwar war diese gut gefüllt, aber mit ein paar Handgriffen schaffte er genug Platz für seinen Laptop.
Henriette reichte ihm ihre Reisetasche. »Können Sie mir meinen Laptop reichen, Herr Oberleutnant?«
»Gerne. Aber sobald Sie mit Ihren Sachen fertig sind, heißt es nicht mehr Sie und Oberleutnant, sondern Schatz und du!«
»Zu Befehl, Herr Oberleutnant!« Schelmisch lächelnd berührte Henriette mit ihrer Rechten die Stirn, als würde sie salutieren. Danach sah sie Torsten mit großen Augen an.
»Wärst du so lieb, meinen Koffer zu tragen, Schatz? Mir ist er zu schwer!« Damit trippelte sie lächelnd auf den Eingang des Hauses zu. Torsten seufzte und hob die beiden recht großen Gepäckstücke auf. Während er Henriette folgte, ließ er den Blick schweifen. Das Haus war dreistöckig, wobei das oberste Stockwerk bereits im Dachgeschoss lag. Das Dach hatte man mit grauen Ziegeln gedeckt, die nur wenig dunkler waren als der Rauputz der Außenmauern. Den einzigen Farbfleck stellte die große, dunkelrote Tür dar, die in einem auffallenden Kontrast zu der Eintönigkeit des Hauses stand. Über
dem Eingang war ein schlichtes, weißes Schild mit schwarzer Aufschrift angebracht. Darauf stand der Name Leclerc, und daneben hatte man das Symbol für Übernachtung gemalt.
Die Pension befand sich am Ende der Straße, die in diesem Teil nur auf einer Seite bebaut war. Auf der anderen erstreckte sich ein schmales Waldstück, durch dessen Baumstämme man hie und da Mauer und Dächer der beiden großen Hallen sehen konnte, die zu Sedersens Besitz gehören mussten. Bei dem breiten Grünstreifen zwischen den Bäumen und der Mauer handelte es sich um den kleinen Flughafen. Da sich das graue Haus ausgezeichnet für die Überwachung des Flugverkehrs zu eignen schien, überlegte Torsten, wie er es anstellen konnte, ein Zimmer auf dieser Seite und möglichst im obersten Stock zu bekommen.
Die Haustür war nicht verschlossen, daher drückte Henriette sie auf und hielt sie fest, so dass Torsten mit den beiden Reisetaschen passieren konnte. Dahinter lag ein schmaler Flur, in dessen Mitte ein kleines Pult mit einer Glocke stand, die ein Souvenir aus der Schweiz zu sein schien.
Da sich niemand sehen ließ, nahm Henriette die Glocke und läutete. Einen Augenblick später schoss eine mittelgroße, untersetzte Frau in einer geblümten Kittelschürze um die Ecke. Ihre Hände waren feucht, und eine ihrer grauen Strähnen hing ihr in die Stirn.
»Goede dag«, grüßte sie und sah Henriette und Torsten über den Rand ihrer Brille hinweg neugierig an.
»Guten Tag! Mein Name ist Renk. Ich habe über die Touristeninformation ein Zimmer für zwei Personen bei Ihnen bestellt.« Obwohl Torsten gut Niederländisch sprach, verwendete er seine Muttersprache.
Die Pensionswirtin sah ihn interessiert an. »Ah, der Herr ist Deutscher.« Danach betrachtete sie Henriette mit einem zweifelnden Blick. »Ihre Frau?« Sie sprach ein Mittelding zwischen Niederländisch und Deutsch.
Torsten schüttelte den Kopf. »Nein, wir sind noch nicht verheiratet.«
Die Miene der Frau wurde abweisend. »Ich weiß nicht, ob ich unverheirateten Leuten ein Doppelzimmer geben kann.«
Jetzt bemerkte Torsten das silberne Kruzifix, das die Pensionswirtin um den Hals trug, und stöhnte innerlich auf. Eine bigotte Frau mit antiquierten Ansichten hatte ihm gerade noch gefehlt.
»Wir wollen bald heiraten«, log er.
»Ihre Braut ist aber nicht von hier«, fuhr die Frau fort und verwendete das Wort »hier« für den gesamten Westen Europas.
»Ich bin in Deutschland geboren und aufgewachsen«, erklärte Henriette mit einer gewissen Schärfe.
»Dann gehören Sie sicher zu den Boatpeople, die vor diesen schrecklichen Kommunisten aus Vietnam geflohen
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