Die geheime Waffe
einmal zu dir kommen wollte. Der Gedanke, dass er eventuell wegen dieses Gewehrs umgebracht worden sein könnte, erschüttert mich.«
»Das wäre natürlich fatal«, antwortete von Straelen zögernd. Auch wenn er sich in Sedersens Situation hineindenken konnte, wirkte dessen Reaktion zu kalt und berechnend. Irgendwie war der Mann schon immer so gewesen, sagte er sich. Wenn er zurückblickte, musste er sich sagen, dass Geerd ihn und seine Freunde geschickt als Informanten und Lobbyisten ausgenützt hatte. Auch die Sache mit den Hütern der Gerechtigkeit war im Grunde auf seinem Mist gewachsen. Und dieses verdammte Gewehr … Von Straelen konnte seinen Gedankengang nicht beenden, da Sedersens Stimme aus dem Hörer drang.
»Es ist saudumm, dass ich ausgerechnet jetzt für zwei Tage
nach England fliegen muss. Mir liegt das Gewehr wirklich schwer im Magen. Du hast doch einen Schlüssel von Hermanns Wohnung und kennst die Kombination seines Safes. Wärst du so lieb und würdest für mich nachsehen, ob die Waffe noch dort ist? Wenn ja, bring das Ding bitte zu mir.«
Von Straelen sagte sich, dass sein Gesprächspartner noch selbstsüchtiger war, als er es sich hätte vorstellen können, und beschloss, die freundschaftliche Beziehung zu ihm nach dieser Sache zu beenden. Vorher aber würde er noch das Gewehr holen, das bereits so viel Unheil angerichtet hatte.
»Also gut, Geerd, ich tue es! Aber nur, damit die Waffe nicht in Hermanns Nachlass gerät und dieser noch nach seinem Tod in ein schlechtes Licht gerückt wird. Du musst mir versprechen, es gut zu verwahren und es um Gottes willen nicht mehr einzusetzen!«
»Das ist doch selbstverständlich. Danke, Andreas! Das werde ich dir nie vergessen. Bis zu Hermanns Beisetzung bin ich wieder zurück. Sprich mir auf die Mailbox, wann und wo sie stattfindet. Und jetzt entschuldige mich! Sonst startet der Flieger ohne mich.«
»Mach’s gut!«, sagte von Straelen noch und beendete das Gespräch.
Sedersen rieb sich die Hände. Allzu lange würde von Straelen gewiss nicht warten, zu Körvers Haus zu fahren, denn er musste verhindern, dass der Nachlassverwalter die Waffe fand.
Auf einmal hatte Sedersen es eilig. Er ging in sein Büro, öffnete den dort eingemauerten Safe und holte das SG21 und mehrere Patronen heraus. Dabei zwang er sich zur Ruhe, denn er durfte die Waffe nicht beschädigen, während er sie und das Zubehör in dem Kasten verstaute, den Rechmann speziell für das Gewehr hatte anfertigen lassen. Nachdem er diesen in der dazugehörigen unauffälligen Reisetasche verstaut hatte, verließ er sein Haus und legte die gut einhundert Meter, die ihn von der alten Halle und den Garagen trennten, im Laufschritt
zurück. Dort entschied er sich für einen unauffälligen, schnellen Kleinwagen.
Nach all den Jahren, die er zu dem Altherrenkreis gehört hatte, kannte Sedersen die Angewohnheiten seiner Stammtischfreunde recht genau und legte sich während der Fahrt einen Plan zurecht. Ein paar Kilometer vor dem Ort, in dem Körvers Wohnhaus lag, führte der Weg zunächst eine Weile schnurgerade durch einen Wald und bog dann in einer scharfen Kurve nach rechts ab. An der Stelle musste jeder Fahrer sein Tempo drosseln, um nicht ins Schleudern zu geraten. Sedersen erreichte diese Straße nach einer zügigen Fahrt, bog dort in einen Forstweg ein und suchte eine Stelle, von der aus er die Straße vor der Kurve gut im Blickfeld hatte. Dann packte er das Gewehr aus, legte es sich auf den Schoß und wartete. Andreas von Straelen hatte eine weitere Anfahrt als er und war auch kein besonders flotter Fahrer.
Zwei, drei Autos fuhren die Straße hoch, während Sedersen auf seinen alten Bekannten wartete. Jedes von ihnen reduzierte das Tempo und bog vorsichtig in die scharfe Kurve. Allzu befahren war dieses Straßenstück nicht, und das erleichterte Sedersens Vorhaben. Er kurbelte das Fenster der Beifahrerseite herunter und zielte aus seiner Deckung zwischen den Bäumen auf eine Fahrerin. Als der blaue Ziellaser genau auf ihrer Schläfe stand, zuckte es ihm in den Fingern abzudrücken. Mit einem tiefen Durchatmen senkte er die Waffe und legte sie neben sich auf den Beifahrersitz. Seine Lust zu töten hatte ihn erschreckt.
»Ich darf die Waffe nur einsetzen, wenn ich mir damit einen Vorteil verschaffe«, ermahnte er sich selbst und versuchte, sein aufgewühltes Inneres in den Griff zu bekommen. Er atmete tief durch und nahm den Feldstecher zur Hand.
Fast auf die Minute, die er ausgerechnet
Weitere Kostenlose Bücher