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Die geheime Welt der Frauen

Titel: Die geheime Welt der Frauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilana Stanger-Ross
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sie neben ihrem Vater, eine Hand Halt suchend unter seinen Ellbogen geschoben. »Sie hat seit meinem zwanzigsten Lebensjahr für mich gesorgt«, sagte er und starrte auf seinen Ehering wie eine junge Braut, die von seinem Glanz entzückt ist. Sima beruhigte ihn und versprach, während sie die alten Verwandten anlächelte und ihnen mit der gedämpften Stimme der Trauernden für ihr Kommen dankte, für ihn zu sorgen, für ihn zu kochen.
    »Und sich vorzustellen«, sagte eine ältere Kusine, die stehen blieb, um Simas Kopf zwischen die Hände zu nehmen, »dass du in deinem ersten Ehejahr solche Prüfungen durchstehen musst. Ach, deine Mutter wäre so traurig, wenn sie das wüsste.«
    Sima nickte und erinnerte sich, wie sie bei ihrer Hochzeit ihre Mutter hatte sagen hören: »Ich bin diejenige, die Lev entdeckt hat«, während sie und Lev Hand in Hand wie die Figuren auf der Hochzeitstorte am Rand der Tanzfläche standen.
    Nachdem die Trauergäste an jenem Abend gegangen waren,
bat Sima ihren Vater, sich an den Küchentisch zu setzen, während sie, auf der Suche nach den Schätzen ihrer Mutter, Schubladen aufzog und Sofakissen umdrehte. Ihr Vater rang die Hände und lamentierte, warum ihm nie in den Sinn gekommen sei, seine Frau zu fragen, wo sie ihren Schmuck versteckt habe - die billigen Goldketten mit den unechten Diamanten, die er ihr während ihrer Ehe geschenkt hatte. Sima fand ihn schließlich in einem bestickten Beutel im Schrank ihrer Mutter, hinter einem Paar violetter High Heels. Um den Modeschmuck war ein Umschlag gewickelt, der zweitausend Dollar Bargeld enthielt.
    »Ich wusste, dass sie ab und zu etwas abzweigte«, sagte ihr Vater, »aber ich hätte nie gedacht, dass sie so viel gespart hat.« Vorsichtig nahm er die Scheine in die Hand, als hielte er seine Frau persönlich fest, wiegte sie und sah Sima dabei an. »Du nimmst das Geld«, erklärte er.
    Sima hatte noch nie so viel Geld auf einem Haufen gesehen und konnte nicht fassen, dass ihre Mutter, die sogar den Zwirn von Kuchenschachteln zur Wiederverwendung aufhob, das alles zusammengespart hatte. Sie schüttelte den Kopf. »Wir müssen Marc und Lou was davon abgeben.«
    »Nein, nein, deine Mutter hätte das nicht gewollt. Sie hat mir immer gesagt, meine Jungs sind wundervoll, aber Sima ist meine Freude, mein Trost. Sie hat immer gesagt: ›Eine Frau braucht eine Tochter.‹ Sie war so stolz auf dich, hat immer gesagt, wie klug und vernünftig du seist.« Ihr Vater nahm Simas Hand und drückte das Geld hinein. »Das Geld gehörte ihr, sie hätte gewollt, dass du es bekommst.«
    Sima schloss die Hand um die Scheine.

    Sima spürte Levs Erleichterung, als sie sich an ihn klammerte und an seiner Schulter weinte. Er streichelte ihren Rücken, ihren Kopf und murmelte, dass alles gut werden würde. Das war
schon etwas, musste sie feststellen, als sie sich mit dem Handrücken das Gesicht abwischte, Lev anblickte und die Tränen in seinen Augen sah; das war schon etwas: an der Schulter des Ehemanns um die verlorene Mutter zu weinen. Ihre Mutter hatte recht, es war gut, jemanden zu haben. Sie liebte ihn, er liebte sie. Alles war in Ordnung.
    Sie feierten ihren ersten Hochzeitstag mit Champagner und einem Essen im Restaurant. Als sie anstießen, erwähnte sie, dass es ihre Mutter gewesen war, die darauf bestanden hatte, auf ihrer Hochzeit den Toast mit Champagner auszubringen, und die gemeint hatte, dass er die Extra-Ausgabe wert war. »Wie traurig«, sagte Sima, »dass kaum ein Jahr später …«
    »Lass uns versuchen, jetzt nicht daran zu denken«, erwiderte Lev und tätschelte ihre Hand. »Wir wollen uns auf die guten Dinge konzentrieren.«
    Als Sima beobachtete, wie Lev ein wenig linkisch einen Schluck trank, erkannte sie plötzlich, dass der Tod ihrer Mutter auf seltsame Weise etwas Gutes gewesen war - er hatte sie dazu gebracht, sich geliebt zu fühlen. Das wollte sie Lev erklären. »Die Sache ist die«, begann sie, brach aber plötzlich mitten im Satz ab. Ihr Vater konnte gelogen haben. Er war jetzt abhängig von ihr - sie brachte ihm jeden Tag Essen, lud ihn ein paar Mal in der Woche zu sich ein -, er hatte ganz persönliche Gründe, ihr das Geld zu geben. Und was machte es schon aus, nachdem seine Frau tot war, seiner Tochter zu versichern, sie sei so geliebt worden, wie sie es sich immer ersehnt hatte?
    Lev sah sie an. »Was wolltest du gerade sagen?«
    Sima schwieg, während der Kellner ihnen zwei Teller Pilzsuppe servierte und fragte, ob alles nach

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