Die geheime Welt der Frauen
ihren Wünschen sei. Sie nickte, ihr Gesicht war blass. »Lev«, sagte Sima fast flüsternd, obwohl der Kellner inzwischen an einem anderen Tisch die Tagesspecials anpries. »Glaubst du, mein Vater hatte recht?«
Lev rührte seine Suppe um und griff nach einem Brötchen. »Recht womit? Mit dem Geld?«
»Nein. Ich meine, ja. Was er über das Geld gesagt hat, über sie und mich.«
Lev blies vorsichtig auf den erhobenen Löffel.
Sima erklärte ihm mit stockender Stimme diese neue Angst, erzählte von dem schmerzlichen Gefühl, als sie letzten Monat Vorhänge nähte, das einzige Mal in ihrem Leben, dass sie sich von ihrer Mutter gebraucht fühlte.
Ihre Wangen waren rot vor Scham darüber, aber Lev lächelte sie ungezwungen an. »Sicher hat sie dich geliebt, Sima«, antwortete er und griff nach dem Salz, »du bist schließlich ihr Kind. Das ist nur natürlich.« Er streute Salz in seine Suppe und beugte den Kopf, um sie zu probieren.
Sima starrte ihn an und wünschte, er würde den Kopf heben. Sie wollte ihn schütteln, ihn erinnern, dass ihre Mutter schließlich gestorben war, ohne sich zu verabschieden, ohne ihr je gesagt zu haben, dass sie sie liebte und stolz auf sie war.
Lev bemerkte ihren Blick nicht. Sima schloss die Augen und blinzelte die Tränen weg. »Ich schätze, du hast recht«, sagte sie stattdessen, teilte ein Brötchen und tunkte es in die Suppe.
»In der Schule«, fuhr Lev fort, »hat Mr. Cheswick gesagt …«
Sie nickte, während er redete, lächelte im richtigen Moment, ohne zuzuhören, und dachte, wie leicht diese Rolle doch zu spielen war.
7
S ima beobachtete, wie Timna ihre Bluse aufknöpfte. Der Auslieferungsfahrer war am Morgen gekommen und hatte, wie Sima beim Unterschreiben des Lieferscheins bemerkte, Timnas Körper angestarrt, als diese sich über eine der Kisten beugte und mit beiden Händen die breiten Verpackungsbänder abriss wie ein Kind, das auf Geschenke neugierig ist. Doch sie mussten warten, bis der Trubel um die Mittagszeit vorbei war, bevor Timna die neue Ware anprobieren konnte - was Sima den anderen Verkäuferinnen nie erlaubt hätte. »Wie können Sie etwas empfehlen, das Sie selbst nicht getragen haben?«, hatte Timna gefragt. »Als ich Kellnerin war, habe ich jedes Gericht im Lokal probiert.« Um zwei Uhr sperrte Sima die Tür ab, setzte sich und gab Timna ein Zeichen anzufangen.
Timna zog sich hinter dem Vorhang um, öffnete ihn aber dann, um die Dessous vorzuführen. »Tada!«, rief sie und trat in einer pfirsichfarbenen BH-Höschen-Kombination heraus. Nachdem sie einmal wie ein Laufsteg-Model im Kreis gegangen war, gab sie ihre Einschätzung der Passform ab: Die Körbchen des BHs seien vielleicht ein bisschen zu spitz, oder? »Aber der Slip«, sie strich mit dem Finger an dem elastischen Saum entlang, »passt wunderbar.«
Sima ließ die Hände auf den Armlehnen ruhen, ihre Beine waren sittsam gekreuzt. Dieser junge Körper vor ihr war schön. Wie ein Kunstwerk, sagte sie sich, obwohl sie wusste, dass die Hitze in ihrem Nacken - sie rückte ihren Haarknoten zurecht - eher von ihrem Begehren als von Bewunderung herrührte. Wenn sie selbst ihren Körper doch nur geliebt hätte, als sie jung
war, dachte sie, solange sich Timna wieder in die Kabine zurückzog. Warum hatte ihr das niemand beigebracht? Wie hatte Timna das geschafft?
»Sie haben großes Glück, wissen Sie das?«
Timna zog den Vorhang wieder auf. Sie trug inzwischen ein blaues Seidennachthemd mit schmalen Trägern.
»Warum? Schenken Sie mir dieses Nachthemd?«
Sima lächelte. »Nein. Aber Sie sind jung«, sagte sie und fügte dann hinzu, »und schön und haben solches Selbstvertrauen.«
Timna strich die Seide über dem Bauch glatt und zog einen Schmollmund, als sie ihr Spiegelbild betrachtete. »Ich fühle mich gar nicht so jung. Ich bin einundzwanzig und hab noch nicht mal ein Studium angefangen.«
»Wozu die Eile? Als Lev und ich heirateten, waren wir so unbedarft, wir wussten gar nichts. Und Sie fahren durch die ganze Welt. Ich bin im Lauf meiner Ehe nie weiter als bis in die Catskills gekommen.«
»Es ist doch noch nicht zu spät für Sie«, antwortete Timna und drehte sich vor dem Spiegel. »Lev ist pensioniert, und Ihr Geschäft läuft gut. Sie könnten einen Monat schließen und hinfahren, wo Sie wollen.«
»Eines Tages vielleicht. Wir werden sehen.«
Timna sah sie an, antwortete aber nicht, sondern ging wieder in die Kabine, um sich umzuziehen.
»Da wir von Reisen sprechen«, sagte Sima
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