Die geheime Welt der Frauen
blickte ihn aber kaum an, als sie die Münze in die Zigarrenkiste warf, wo sie mit einem tröstlichen Geräusch aufschlug: Das wenigstens war geschafft. Sie ging weiter, näherte sich dem dunklen Ende des Tunnels und bog dann um die Ecke zur Ausgangstreppe.
»Sima!«
Sie wusste, dass er es war, doch woher wusste er ihren Namen? Ein kalter Schauer lief ihr über den Rücken, sie konnte sich nicht bewegen, und in der Zwischenzeit kam er näher - Schritte, Atemzüge -, der Tunnel war plötzlich und unerklärlicherweise leer.
»Sima!«
Sie riss die Augen auf, ihr Herz schlug schneller, ihr Mund wurde trocken.
Er legte die Hand auf ihren Arm und drehte sie zu sich um. Wie in einem Film versuchte sie zu schreien, brachte aber keinen Ton heraus.
»Sie haben das fallen gelassen, es gehört Ihnen.«
Eine Postkarte. Mit ihrem Namen darauf. Ein Bild von Hawaii auf der Vorderseite, das lächerliche Gekritzel ihrer Freundin auf der Rückseite: Ich denke an Dich!!! Eine Freundin aus der Highschool, von der sie jahrelang nichts gehört hatte, verheiratet, dann geschieden, jetzt wieder verheiratet und in den Flitterwochen, die unbedingt in der ganzen Welt Bilder mit Palmen verschicken musste, um ihre Normalität zu beweisen. Sima sah auf ihre Handtasche und stellte fest, dass sie sie nicht zugemacht hatte, nachdem sie das Zehncentstück herausgenommen hatte. Irgendwie war die Karte herausgefallen.
»Ich wusste nicht«, sagte er, »ob’s vielleicht was Wichtiges ist.«
Sie starrte ihn immer noch an.
»Ihr Name stand darauf.«
Aus der Nähe wirkte er jünger, als sie gedacht hatte. Kein vornehmer Bettler allerdings, sondern ein junger Mann, der stark nach Alkohol stank und keine Ausrede hatte, warum er nicht arbeitete.
Sie nickte und nahm ihm die Postkarte ab, sorgfältig darauf bedacht, nur die Ecke zu berühren, die am weitesten von seiner Hand entfernt war. »Danke«, stieß sie hervor, bevor sie weiter den Tunnel entlanghastete und auf der Treppe zwei Stufen auf einmal nahm.
Sie wiederholten die Gasinsufflation und nahmen eine Hysterosalpingographie vor: Ein Kontrastmittel wurde injiziert und auf dem Röntgenbild verfolgt, welchen Weg es nahm, während Sima im Dunklen lag und inständig betete, dass alles gut wurde.
Aber es war nicht gut.
»Sima«, fragte der Arzt, als er die Tür hinter sich schloss, »haben Sie vielleicht eine Erklärung, warum Ihre Eileiter vernarbt sind?«
Sie schüttelte den Kopf und wartete auf eine Antwort.
Er setzte sich und lächelte matt. »Das ist ein ziemlich delikates Thema, aber …« Er lehnte sich zurück und trommelte mit den Fingern auf den Tisch. »Die Art der vollkommenen Vernarbung scheint darauf hinzuweisen, dass Sie einmal …«, er beugte sich vor, »eine Geschlechtskrankheit hatten.«
Sima blickte auf den braunen Teppich hinab und sah, wie das Webmuster vor ihren Augen verschwamm.
»Sima, haben Sie Ihren Mann nach seinen …«, er hustete, »Neigungen gefragt?«
Sie konzentrierte sich auf ihre Füße. Ihre Zehen waren im Ausschnitt der Schuhe sichtbar, die Nägel unlackiert, gelb wie die Zähne des Arztes.
»Mrs. Goldner, ich weiß, wie schwierig das für Sie ist …«
»Es war nicht Lev.«
»Ich weiß, dass Sie das denken, aber die Tatsache bleibt bestehen, Sie litten an …«
»Es war nicht Lev.«
Der Doktor zog die Luft ein. »Nun gut, Mrs. Goldner, wie erklären Sie sich dann die Tatsache …«
Sie blickte auf. »Ich war es, ich muss es gewesen sein.«
Er sah sie länger an, als sie aushalten konnte, so lange, dass sie die Gipsbüste auf seinem Bücherregal beneidete und wünschte, so sein zu können - ohne Fleisch, ohne Gefühl. Stumm nahm sie seinen Tadel hin, aber stolz, weil sie Lev verteidigt hatte: Er hatte nichts Falsches getan, und sie würde nicht zulassen, dass man ihn verurteilte.
»Nun«, sagte der Arzt und nahm eine braune Akte von einem ordentlichen Stapel, »das wär’s dann. Die Infektion ist inzwischen
abgeklungen, also besteht keine Notwendigkeit, dass Sie oder Ihr Mann Antibiotika nehmen.« Er öffnete die Akte und trug etwas ein. »Auf dem Weg hinaus wenden Sie sich bitte an Terry wegen der Rechnung.«
Sie nickte. »Und der nächste Termin?«
Er blickte auf.
»Um die Vernarbung zu beseitigen. Um die Eileiter zu öffnen, müssen wir doch die Vernarbung beseitigen, oder?« Sima hielt inne und sah, wie seine Miene sich verhärtete. »Damit ich ein Baby bekommen kann«, fügte sie mit schwankender Stimme hinzu und versuchte, den
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