Die geheime Welt der Frauen
Ladenhilfen immer geschenkt hast?«, fragte Lev, als sie sich beklagte, bislang nichts Passendes gefunden zu haben. Sie sah ihn an und verdrehte die Augen: Als wäre Timna bloß irgendeine Näherin.
Es war richtig, dass sie der Näherin gewöhnlich einen Bonus von fünfzig Dollar und zwei Tage freigab: nie ein Geschenk, und ganz gewiss keinen Schmuck. Aber auf der Suche nach einem Hochzeitsgeschenk für Esther Adelmans Tochter war sie letzte Woche durch das Silbergeschäft gegangen - Vitrinen voller Kerzenleuchter und Gewürzbehälter, Silberbesteck und Servierplatten - und hatte gehört, wie eine Verkäuferin einer Kundin, der offensichtlich der Preis zu hoch war, erklärte, dass der
Leuchter in ihrer Hand wie ein Erbstück sei. Die Verkäuferin sprach das Wort langsam aus, ließ es noch einen Moment nachklingen, über dem hellen Glanz des Silbers und dem dunklen Blau des plüschigen Teppichs schweben. »Jedes Mal, wenn sie die Sabbat-Kerzen anzündet«, fuhr die Verkäuferin fort, »wird sie an Sie denken. Und wenn Sie einmal nicht mehr sind, wird sie diesen Leuchter haben, der sie immer an Sie erinnert.«
Ein gängiger Verkäuferspruch, wie Sima wusste. Wenn sie Frauen überzeugen könnte, dass BHs Erbstücke waren, würde sie ihn selbst einsetzen. Und dennoch konnte sie nicht zynisch sein, angesichts der Tränen, die die Kundin wegblinzelte. Sie wusste, was diese Frau vor sich sah: ihre Tochter, die sich über die Kerzen beugte und sich an sie erinnerte, während sie die Hände an die Augen legte und sie mit einem Segensspruch schloss.
Ja, hatte Sima gedacht, das ist es, was ich für Timna haben will: etwas, das sie ab und zu an mich erinnert, an unsere gemeinsame Zeit.
Es ließ sich nicht sagen, wie lange sie Timna bei sich haben würde. Obwohl die junge Frau ihr versicherte, nachdem Sima endlich den Mut aufgebracht hatte, sie zu fragen, dass sie nicht vor dem Frühling gehen würde, hatte Sima immer noch das Gefühl, Timna könnte jeden Moment verschwinden. Daher war es umso wichtiger, dass dieses Geschenk etwas Besonderes war. Sima starrte ins Schaufenster des Juwelierladens, berührte mit den Fingerspitzen ihrer behandschuhten Hände das Glas und hoffte, unter den ausgebreiteten Schmuckstücken etwas zu finden, das Timna ein Leben lang tragen, ein Stück, zu dem sie in all den kommenden Jahren abwesend hingreifen und es berühren würde.
Sima klingelte und wartete, während eine elegant gekleidete Frau mit rotbrauner Perücke sie durch die Scheibe begutachtete.
Nachdem sie sie eingelassen hatte, wandte sich die Frau wieder ihrem Kunden zu: einem jungen Mann, vor dem ein Tablett mit Diamantringen stand. Sima ging vor den Vitrinen auf und ab. Sofort war sie ernüchtert: Der Schmuck war zu spießig für eine junge Frau wie Timna, die Reihen von Davidsternen und herzförmigen Anhängern waren für einen anderen Typ Frau gemacht.
Sie blieb vor den Uhren stehen und schützte Interesse vor, weil es ihrer Meinung nach unhöflich war, gleich wieder zu gehen. Doch als sie sah, wie der junge Mann verlegen auf einen Diamantring mit Prinzess-Schliff deutete - »Das ist unser beliebtestes Modell«, versicherte ihm die Verkäuferin -, zögerte sie. Gelegentlich kamen Frauen in ihren Laden, die sich eine Veränderung wünschten. Sie kritisierten alles, was Sima ihnen brachte - dies hielt den Bauch nicht genug zusammen, das machte die Brüste zu flach -, bis sie sie daran erinnerte, dass gute Unterwäsche zwar eine Veränderung bewirken könne, aber keine plastische Operation sei. In ganz New York, so stellte sie fest, gab es kein Geschäft, das verkaufte, was sie sich wünschte: eine Kombination aus Gold und Steinen, die Timnas eigene Schönheit betonte und sie gleichzeitig für immer an sie band.
Die Verkäuferin kam zu Sima herüber, als der junge Mann einen Scheck ausstellte. »Haben Sie etwas gesehen, was Ihnen gefällt?«, fragte sie. Sima blickte wieder auf die Ohrringe. In der Mitte lag ein Paar goldener Reifen: oben ganz dünn und zur Mitte hin dicker werdend. Sie stellte sich vor, wie Timna mit dem Finger am Rand des Metalls entlangstrich, wie das Gold im Licht blitzte und sich in den sanften Wellen ihres Haars widerspiegelte.
»Die«, sagte Sima, »ich nehme die.«
Am nächsten Tag gab sie Timna das Geschenk. »Bevor ich’s vergesse«, sagte sie, als hätte sie nicht den ganzen Morgen daran gedacht, »ich hab eine Kleinigkeit für Sie …«
Timna öffnete zuerst die Karte, ein kleines Viereck, das zu
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