Die geheime Welt der Frauen
drückte ihre tiefe Reue aus, und Sima hoffte, sie würden Timna wie ein Lasso umfangen und zu ihr ziehen.
Aber Timna hatte die Entschuldigung einfach achselzuckend abgetan. »Ich weiß«, erwiderte sie und ging weiter die Treppe hinauf. »Wir wollen es für den Augenblick einfach vergessen, ja?«
Sima nickte, unsicher, was sie sonst noch sagen könnte, nachdem ihr Sehnen unbeantwortet blieb. Während Timna in der Küche verschwand und Lev wie immer mit einem freundlichen Hallo begrüßte, fand sich Sima mit der Endgültigkeit ihrer Trennung ab. Sie ist fort, dachte sie. Sie ist fort und wird nie mehr wiederkommen.
Sie wandte sich jetzt der Mutter und der Tochter zu. »Was kann ich für Sie tun?«, fragte sie mit fröhlicher Stimme, scheinbar ohne etwas von der Spannung zu ahnen, die zwischen den beiden herrschte.
Die Mutter antwortete: »Meine Tochter braucht Unterwäsche für ihr Hochzeitskleid. Sie führen doch so was, oder?«
»Das denke ich doch«, erwiderte Sima. »Mazel tov.«
Wieder antwortete die Mutter. »Danke Ihnen.«
Sima wandte sich an die Tochter. »Wie ist Ihr Name? Wann ist die Hochzeit denn?«
»Rachel. Erst im Juni, aber meine Mutter …«
»Sie braucht die Wäsche jetzt«, erklärte die Mutter, »um damit zur Anprobe zu gehen.«
»Das ist eine fixe Idee meiner Mutter«, warf Rachel ein.
»Das ist nicht bloß irgendeine Idee, sondern gesunder Menschenverstand.« Die Mutter blickte zur Decke und seufzte.
Sima ließ sich äußerlich nichts anmerken. »Eins nach dem anderen. Rachel, könnten Sie mir Ihr Kleid beschreiben?«
»Ähm.« Rachel schwieg einen Moment. »Ich soll es Ihnen beschreiben?«
Sima nickte. Es gab zwei Typen von Bräuten: diejenigen, die nicht aufhören konnten, über das Kleid zu reden - »und dann hat es ein paar, nicht zu viele, nur ein paar wirklich hübsche Kristallperlen am Rocksaum« -, und solche, die von der ganzen Sache leicht peinlich berührt waren. Ihre Sympathie galt Letzteren, ihr Neid jedoch den Ersteren.
»Es ist ziemlich einfach, schätze ich«, fuhr Rachel fort. »Oben eng anliegend und zum Saum hin wird es weiter. Nicht wie ein Ballkleid oder so was, bloß …«
»A-Linie«, ergänzte ihre Mutter. »Es hat eine klassische A-Linie. Und ist elfenbeinfarben mit Flügelärmeln - Rachels Beschreibung wird ihm nicht gerecht. Außerdem ist es gar nicht so schlicht, eine aufgestickte Blütenranke zieht sich diagonal über die Brust, mit Blütenblättern aus winzigen Kristallen und …«
»Das klingt ja hinreißend«, sagte Sima. »Wirklich.« Sie trat zurück und taxierte den Körper der Tochter. »Sie sind zierlich«, stellte sie fest und betrachtete das Mädchen in schwarzem Pullover und Hüft-Jeans. »Ich würde sagen 70 A, ansonsten 36?«
»Ich bin nicht sicher.«
»Ich schon. Und mit einer solchen Figur brauchen Sie nichts als einen guten BH und ein hübsches Höschen dazu.« Sie wandte sich an Rachels Mutter. »Wir haben, was Sie suchen, aber nicht in ihrer Größe - sie ist zu dünn, sie braucht nichts, was sie schlanker macht.«
»Wirklich? Nicht einmal für ein Hochzeitskleid?«
Sima nickte. »Wenn es ein Etuikleid wäre und sie wirklich einen Body haben wollte, könnten wir etwas für sie bestellen, kein Problem. Aber bei einer A-Linie ist das nicht nötig.« Sie lächelte Rachel an. »Eine A-Linie ist ein toller Schnitt. Der beste für die meisten jüdischen Frauen, sage ich immer: Er sieht fantastisch
aus, wenn man Kurven hat, und man wirkt nicht verloren, wenn man ein bisschen zu klein geraten ist.«
»Siehst du, Mom?«, meinte Rachel. »Ich hab dir doch gesagt, dass es keine …«
»Oh, aber Ihre Mutter hat recht«, unterbrach Sima sie und führte Rachel, eine Hand leicht auf ihre Schulter gelegt, zur Umkleidekabine. »Der Schnitt des BHs wirkt sich auf die Form des Oberteils aus, also müssen Sie bei der Anprobe den BH tragen, den sie am Hochzeitstag tragen werden.« Während Sima den Vorhang beiseitezog, warf sie einen Blick zu Sylvie hinüber. »Dieser BH ist wie für dich gemacht«, lobte sie.
»Ich weiß«, antwortete Sylvie und strich das Material glatt. »Ich hab ihn schon in Weiß und in Beige, und er fühlt sich jedes Mal herrlich an. In ein paar Wochen haben wir eine Bar-Mitzwah, für die ich mir ein schwarzes Kleid gekauft habe, also dachte ich mir, warum lang herummachen, ich kauf mir den gleichen in Schwarz. Timna hat ihn mir ausgesucht - sie ist meine persönliche Einkaufsberaterin.«
Sima blickte zu Timna hinüber,
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